Datenschutzbeauftragte greift Polizei an

Polizisten sollen laut Behördenleiterin häufig illegal sensible Daten im internen System Poliks abgreifen

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Sachverhalt ist immer noch nicht aufgeklärt. Im Fall des verurteilten Polizisten, der Drohbriefe an die linksradikale Szene aus dem Umfeld des Hausprojektes »Rigaer 94« verschickt hat, forscht die Behörde der Berliner Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, Maja Smoltczyk, weiter nach Ursachen für das Datenleck. »Nach wie vor ist unklar, ob der Polizist alleine gehandelt hat«, sagte die Beauftragte am Donnerstag bei der Vorstellung des Jahresberichts 2018 im Abgeordnetenhaus. Die Behörde der Datenschutzbeauftragten verfügt nach eigenen Angaben über »Indizien«, dass noch weitere Polizisten an der Versendung der Drohbriefe beteiligt gewesen sein könnten.

Wie »nd« bereits Mitte Februar berichtet hatte, ist immer noch ungeklärt, wie der inzwischen verurteilte Beamte an die personenbezogenen Daten gelangen konnte. »Da hat tatsächlich jemand aus der Polizei die vorhandenen Informationsmöglichkeiten genutzt«, sagte Smoltczyk. Das sei »absolut nicht akzeptabel« gewesen.

Harsche Kritik übte die Datenschutzbeauftragte erneut am Aufklärungswillen der Polizei. »Die Bereitschaft, uns weiter zu informieren, ist nicht da gewesen«, sagte Smoltczyk. Außerdem habe die Polizei keine Originalbilder zur Prüfung übersandt und keine Fingerabdrücke genommen. »Ich kann nicht berichten, dass die Behörde sehr kooperativ war«, sagte Smoltczyk. Die Zusammenarbeit mit der Polizei sei »suboptimal« gewesen. Dabei sei jede Behörde auskunftspflichtig für die Datenschutzbehörde, egal, ob es ein Strafverfahren gebe oder nicht. »Unsere datenschutzrechtliche Prüfung geht weiter«, betonte die unabhängige Beauftragte.

Die Polizei wollte sich am Donnerstag auf nd-Anfrage zunächst nicht zu den Vorwürfen äußern. Vor einigen Wochen hatte die Polizei zu dem Vorgang erklärt, dass der Vorwurf, nicht kooperiert zu haben, nicht nachvollziehbar sei.

Am Donnerstag wurde unterdessen deutlich, dass Polizisten offenbar viel häufiger illegal Daten aus polizeiinternen Systemen wie dem Polizeilichen Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung (Poliks) abrufen als bislang bekannt. »In Poliks-Fällen wurden fünf Mal Bußgeldverfahren eingeleitet«, erklärte die Datenschutzbeauftragte auf nd-Nachfrage. Seit Juni vergangenen Jahres kann die Datenschutzbehörde bei einem Missbrauch direkt solche Ordnungsgelder verhängen. Die betroffenen Beamten, die die personenbezogen Daten zum Teil aus privaten Gründen abgeschöpft haben, mussten empfindliche Geldstrafen zwischen 2000 und 3000 Euro bezahlen. »Der Missbrauch der Datenbanken durch Polizisten ist ein relevanter Bereich«, erklärte Smoltczyk. Über die Fälle, wo ein Ordnungsgeld verhängt wurde, hinaus wurden »sehr, sehr viele« Verwarnungen ausgesprochen. Hinzu kommt auch noch die Aufarbeitung von sogenannten Altfällen von Datenmissbrauch, die aus der Zeit vor der Einführung des neuen Berliner Datenschutzgesetzes im vergangenen Jahr stammen.

Doch nicht nur Datenlecks bei der Polizei beschäftigten die Behörde der Datenschutzbeauftragten mit ihren rund 50 Mitarbeitern. Vielmehr hat sich das Beschwerdeaufkommen mit der Einführung der Datenschutz-Grundverordnung 2018 grundsätzlich massiv erhöht: Insgesamt 3999 Meldungen seien seit dem 25. Mai 2018 eingegangen, hieß es am Donnerstag. Auch bei Datenpannen seien die Meldungen »massiv angestiegen«. 322 Fälle solcher Meldungen gab es. »Das Aufkommen der Meldung von Datenpannen hat sich vervierzehnfacht«, sagte Smoltczyk. Unternehmen, Behörden und Privatpersonen müssen die Datenschützer seit der Einführung der Verordnung informieren, wenn vertrauliche Informationen aus Versehen an Dritte geraten. Vorher galt die Pflicht nur für bestimmte Daten.

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