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Ist das schon Klassenkampf?
In einem Interview traut sich Juso-Chef Kevin Kühnert an das »S«-Wort
Wenn Juso-Chef Kevin Kühnert wagt, Alternativen zum Kapitalismus zu thematisieren, ist das schon Sozialismus? Ist das Klassenkampf? Ja - das meinen zumindest viele Konservative. CSU-Generalsekretär Markus Blume twitterte etwa: »Die systemverändernden Sozialismusphantasien des Juso-Chefs sind ein schwerer Rückfall der SPD in klassenkämpferische Zeiten.«
Wenn sich Kritik so liest, hat die SPD etwas richtig gemacht. Pardon, die distanziert sich ja in Teilen lieber von ihrem Juso-Vorsitzenden. Dabei bekannte Kühnert in dem »Zeit«-Interview endlich mal wieder Farbe - und sich im Grunde nur zum aktuellen Hamburger Grundsatzprogramm seiner Partei: Für eine Demokratisierung aller Lebensbereiche - und eben auch der Wirtschaft. Nur wagt Kühnert es ausnahmsweise, in dem Interview auszuführen, was das perspektivisch heißen könnte: Mitbestimmung in dem Sinne, dass Unternehmen den Beschäftigten und dem Management gehören. Profite, über deren Einsatz gesamtgesellschaftlich diskutiert wird, statt wie bisher die Vermögenden noch reicher zu machen. Und nein, kein Staatssozialismus, keine Planwirtschaft, nicht mal Einheitslöhne für alle.
Bei den Grünen ist es Robert Habeck, der einen riesigen utopischen Überschuss akkumuliert. Dagegen herrscht bei der SPD spätestens seit dem Rückzug von Andrea Ypsilanti und dem Tod Hermann Scheers gähnende Leere, was linke Visionen angeht. Dabei braucht der Diskurs Polarisierung und Perspektiven für ein besseres Morgen. Genau damit befasst sich Kühnert. Er hat keine tagesaktuellen Forderungen erhoben - diesen Eindruck erwecken seine Kritiker, indem sie zwei seiner Aussagen hochjazzen. Er benennt vielmehr Alternativen für die Zukunft. Es sei dahingestellt, ob das Interview schon Klassenkampf ist. Aber es ist durchaus eine Kampfansage an die Politik im Hier und Jetzt. Und das vehemente Medienecho zeigt: Der Juso-Vorsitzende hat einen Nerv getroffen.
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