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Der alltägliche Rassismus

Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) ist seit Jahren bekannt für einen entwürdigenden Umgang mit zahlreichen Geflüchteten

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.

Nach dem Tod des Psychiatriepatienten William Tonou-Mbobda am 26. April hat das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) versucht, den Fall herunterzuspielen. Man beschränkte sich darauf, den Hinterbliebenen das Mitgefühl der Klinik mitzuteilen und wortkarg die Unterstützung bei der Aufklärung zuzusichern. Bald wird sich das UKE aber wohl zumindest etwas genauer mit dem eigenen Sicherheitsdienst beschäftigen müssen.

Am Freitagabend berichtete »Spiegel Online« von der Antwort auf eine Kleine Anfrage der LINKE-Bürgerschaftsabgeordneten Deniz Celik und Martin Dolzer an den Hamburger Senat. Demnach wurde seit 2015 in mindestens vier Verfahren gegen den Sicherheitsdienst des UKE ermittelt. Drei Fälle bezogen sich auf den Verdacht »einer Straftat gegen die körperliche Unversehrtheit«, in zwei Fällen wurde das Verfahren eingestellt. Ähnliche Vorwürfe werden gegen den Sicherheitsdienst im Zusammenhang mit dem Tod von Tonou-Mbobda erhoben, der laut Gerichtsmedizin an Herzversagen starb.

Insbesondere die Hamburger Linksfraktion sowie Vertreter der Black Community fordern vehement eine umfassende Aufklärung nach dem Tod des 34-jährigen Kameruners, der Betriebswirtschaftslehre studierte. Die Ermittlungen zum Fall im UKE dauern noch an. Manche fühlten sich auch an den Tod von Achidi John erinnert. Der mutmaßliche Drogendealer starb im Dezember 2001, nachdem ihm unter Zwang ein Brechmittel verabreicht worden war, um Drogen als Beweismittel zu sichern. Er hatte 47 Drogenkügelchen im Magen. Das Brechmittel wurde dem Nigerianer im UKE von einer Ärztin durch einen Schlauch in der Nase eingeflößt. Zivilfahnder hatten Achidi John zuvor aufgegriffen und in die Rechtsmedizin des UKE gebracht. Strafrechtliche Konsequenzen blieben nach dem Todesfall aus.

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Zwar gibt es viele Unterschiede zwischen den Fällen Achidi John vor bald 18 Jahren und dem Tod von Tonou-Mbobda. Allerdings vermuten Vertreter der Black Community, dass die Gewalt mit Todesfolge gegen Schwarze, die mutmaßlich gefährlich sind, einen rassistischen Hintergrund hat. Das müsste nun untersucht werden. Einige Hinweise gibt es im Fall Tonou-Mbobda bereits. Nach Medienberichten sollen Sicherheitsleute des UKE schwarze Menschen immer wieder rassistisch beleidigt haben.

Doch nicht nur das Sicherheitspersonal ist offensichtlich ein Problem in dem Universitätsklinikum. Denn auch Ärzte sind für einen entwürdigenden Umgang mit Menschen verantwortlich, die zumeist aus afrikanischen oder asiatischen Ländern kommen. Im Jahr 2015 wurde bekannt, dass Mediziner des Instituts für Rechtsmedizin am UKE auch die Genitalien von Geflüchteten untersuchen, um das Alter der Betroffenen festzustellen. So meinten sie, herausfinden zu können, ob die Schutzsuchenden noch minderjährig oder schon erwachsen sind. Wer sich dieser Untersuchung nicht unterziehen wollte, galt automatisch als Erwachsener. Das Vorgehen wurde sowohl von Oppositionspolitikern der Bürgerschaft als auch von der Hamburger Ärztekammer als »menschlich und medizinisch nicht gerechtfertigt« kritisiert.

Der Institutsdirektor für Rechtsmedizin am Hamburger Uniklinikum, Professor Klaus Püschel, hatte sowohl die Brechmitteleinsätze als auch den Genitalienvergleich unterstützt. Er ist dort noch immer im Amt. Zu Beginn der 1990er Jahre soll Püschel noch vor dem Einflößen von Brechmitteln gewarnt haben, weil jedes Erbrechen mit gesundheitlichen Risiken verbunden ist. Doch einige Jahre später änderte er seine Meinung und erklärte, dass man »Polizei und Justiz nicht im Regen stehen lassen« könne.

Die Black Community und andere Gruppen verweisen diesbezüglich in einem offenen Brief an das UKE, den sie anlässlich des Todes von Tonou-Mbobda, verfasst haben, auf »strukturelle Gewalt gegen schwarze Menschen«. Diese »nimmt uns unsere Würde und steht im Widerspruch zu unseren Grund- und Menschenrechten«, heißt es in dem Schreiben.

Nicht vergessen werden sollte in diesem Zusammenhang auch die Rolle der rot-grünen Senate in Hamburg. Sowohl die Entscheidung, Brechmittel zwangsweise zur Beweissicherung einzusetzen, fiel in die Legislaturperiode von SPD und Grünen als auch die Genitaluntersuchungen bei Geflüchteten. Die erstgenannte Praxis wurde wegen der Todesfälle und des juristischen Drucks beendet. Im Jahr 2006 verurteilte der Europäische Gerichtshof in Straßburg die Brechmitteleinsätze als Folter, wenn sie unter Zwang vollzogen wird. Eine kritische Aufarbeitung vonseiten der Hamburger Regierung ist aber bisher ausgeblieben.

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