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Schwarz-Blau durch die Hintertür
In Sachsen sinnieren die Parteien über eine Minderheitsregierung nach Landtagswahl im September
Die »Freie Presse« aus Chemnitz gab Anhängern der LINKEN in Sachsen vor dem Wahlsonntag einen Rat: Sie sollten »auf das Europawahlergebnis achten«. Seit 1994, hieß es augenzwinkernd, bestehe eine »auffällige Übereinstimmung« mit dem Ergebnis der Partei bei der stets einige Monate später anstehenden Landtagswahl. Im Jahr 2009 folgten auf 20,1 Prozent für Europa 20,6 im Land; 2014 hieß es 18,3 für Europa und 18,9 im Land.
Für die Landtagswahl am 1. September verhieße das nichts Gutes: Die Partei lag jetzt im Freistaat bei 11,7 Prozent. Allerdings sei der Europa-Wahlkampf »sehr polarisiert« gewesen, sagt Landeschefin Antje Feiks; die LINKE mit ihrer »differenzierten Position« sei kaum durchgedrungen. Im Herbst, so die Hoffnung, wird das Ergebnis besser ausfallen.
Das hoffen auch andere: die CDU, die nur 23 Prozent einfuhr und wie bei der Bundestagswahl 2017 von der AfD geschlagen wurde, oder die SPD, die nur auf 8,6 Prozent kam. Bei den Landtagswahlen 2009 und 2014 lag die CDU je fünf Punkte besser als bei Europa, die SPD aber noch darunter.
Befeuert wurden durch die Zahlen vom Sonntag erneut Rechenspiele mit Blick auf die Regierungsbildung im Herbst. Seit Monaten ist klar, dass eine Fortsetzung der seit 2014 regierenden Zweierkoalition aus CDU und SPD unmöglich ist. Generell gäbe es derzeit nur ein Zweierbündnis, das im Landtag eine Mehrheit hätte: CDU und AfD. Das fürchten, auch angesichts angeblicher Gedankenspiele in der CDU, viele im Land; CDU-Spitzenleute schließen Schwarz-Blau bisher jedoch aus - wie auch Schwarz-Dunkelrot: Als Koalitionspartner kämen »AfD und Linkspartei für mich aus verschiedenen Gründen nicht infrage«, sagte Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) jetzt erneut.
Doch auch eine Kenia-Koalition unter Einschluss starker Grüner brachte es am Sonntag nur auf 42 Prozent. Schaffte es die FDP in den Landtag, käme man der Mehrheit näher. Doch stößt das in Deutschland noch nie erprobte Modell eines Viererbündnisses, das wegen der Farben »Vanuatu-Koalition« hieße, bereits vorab auf Skepsis: »Ich glaube nicht, dass das funktioniert«, sagte FDP-Landeschef Holger Zastrow - und brachte ein anderes Modell ins Spiel: eine Minderheitsregierung, etwa aus CDU und FDP, mit wechselnden Mehrheiten.
Die Idee ist nicht neu: LINKE-Landeschefin Feiks denkt schon länger laut darüber nach; dem »nd« sagte sie vor Monaten, sie halte eine Kooperation von LINKE und CDU zwar für schwer vorstellbar, ansonsten aber vieles für möglich - auch »Modelle, die hierzulande noch nicht so häufig erprobt wurden«. Das trifft zumindest für eine Minderheitsregierung ohne feste Mehrheiten auf Landesebene ohne Zweifel zu. Zwar wird oft auf das »Magdeburger Modell« verwiesen. Dort gab es aber von 1994 bis 2002 eine zwar informelle, aber fest vereinbarte Kooperation der Regierung aus SPD und Grünen, ab 1998 nur noch der SPD, mit der PDS. Zuletzt hatten sich Unterhändler sogar auf eine gemeinsame Vorhabenliste verständigt - eine Art Koalitionspapier, das nur nicht so heißen durfte.
Für Sachsen indes wird bisher über eine Regierung nachgedacht, die sich ihre Mehrheiten bei unterschiedlichen Fraktionen suchen würde - inklusive AfD. FDP-Mann Zastrow hätte damit kein Problem: Es handle sich um eine »demokratische Partei«, sagte er am Montag und fügte an, reden »muss man miteinander«. Schließlich könne man »die Wahlergebnisse nicht so einfach wegdrücken«.
Zastrow hat mit dem Modell Erfahrung - als Stadtrat in Dresden, wo sich nach dem von Austritten aus der SPD-Fraktion verursachten Zerfall der rot-grün-roten Kooperation ein informelles Bündnis unter Einschluss der AfD bildete, das umgehend viele Beschlüsse von Rot-Grün-Rot etwa in der Verkehrspolitik kippte.
Mancher hält eine Minderheitsregierung daher für ein tückisches Modell. Es erfülle ihn »mit Sorge«, sagte Grünen-Politiker Valentin Lippmann kürzlich und zeichnete ein Szenario, bei dem seine Partei von der CDU »ein paar Blühstreifen bekommt und die SPD etwas Soziales, die harten gesellschaftlichen Themen aber mit der AfD angegangen werden« - etwa ein neues Polizeigesetz. Vorteil für Sachsens CDU: Die Bundespartei, die Koalitionen mit der AfD ablehnt, könnte kaum ein Veto einlegen. Schwarz-Blau käme quasi durch die Hintertür.
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