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Rechtspopulisten inszenieren sich als Opfer im Linksstaat
Während die KZ-Gedenkstätten ihre Sorgen vor dem Rechtsruck ansprechen, redet die AfD über »staatlich finanzierten Linksextremismus«
»Nationalistische und menschenfeindliche Positionen gewinnen in Gesellschaft, Politik und Öffentlichkeit zunehmend an Einfluss. Die Wahrnehmung des Nationalsozialismus und das Gedenken an seine Opfer bleiben von dieser Entwicklung nicht unberührt«, weiß die Stiftung brandenburgische Gedenkstätten. Sie fragt sich, wie die rechtspopulistischen Einstellungen die Erinnerungskultur in den letzten Jahren verändert haben, wo die Gefahren liegen, was dem entgegenzusetzen ist.
An diesem Mittwoch um 18.30 Uhr soll versucht werden, Antworten zu geben. In Kooperation mit der Stadt Oranienburg und gefördert durch die Landeszentrale für politische Bildung, gibt es in der Orangerie im Schlosspark an der Kanalstraße 26 a eine Debatte: »Erinnerungskultur und Rechtspopulismus. Wohin führt der Ruck nach rechts?« Es diskutieren Stiftungsdirektor Axel Drecoll, Kulturministerin Martina Münch (SPD), Charlotte Knobloch von der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Martin Osinski von der Initiative »Neuruppin bleibt bunt« und Andreas Wirsching vom Institut für Zeitgeschichte.
Wir erinnern uns: Der thüringische AfD-Politiker Björn Höcke hatte eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad gefordert. AfD-Frontmann Alexander Gauland hatte zwölf Jahre Nazidiktatur als »Vogelschiss« in 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte bezeichnet. Die KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen blieb von derlei Ausfällen nicht unberührt. Nach Stiftungsangaben hatten im vergangenen Jahr fünf bis sechs Personen einer Besuchergruppe aus dem Wahlkreis von AfD-Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel bei einer Führung die Verbrechen in den Konzentrationslagern relativiert und die Existenz von Gaskammern angezweifelt.
Fast zeitgleich mit dem Beginn der Debatte in Oranienburg, um 17 Uhr, ebenfalls an diesem Mittwoch, veranstaltet die AfD-Fraktion im Potsdamer Landtag ein Symposium »Staatlich finanzierter Linksexremismus«. In der Einladung heißt es, die AfD werde in der Öffentlichkeit durch Verleumdungskampagnen beim Wähler schlechtgemacht und kleingehalten. »Bezahlt werden diese Kampagnen häufig aus Steuermitteln, wodurch der Staat seine Pflicht zur Neutralität verletzt.« Jedoch erfolge diese Finanzierung häufig verdeckt. Unter dem Deckmantel verschiedenster Vereine, so heißt es weiter, würden linksextreme Anti-AfD-Strukturen aufgebaut.
Bei dem Symposium soll der freie Journalist Christian Jung seine »umfangreichen Rechercheergebnisse« vortragen. Gemeinsam mit Torsten Groß veröffentlichte Jung im Kopp-Verlag das Buch »Der Links-Staat«, in dem sie - so jedenfalls steht es auf den Buchdeckel gedruckt - »die perfiden Methoden der ›Antifa‹ und ihrer Helfershelfer in Politik und Medien« enthüllen. Es gibt von Jung und Groß auch einen dreiteiligen Dokumentarfilm »Der Links-Staat«, zusammen fast fünf Stunden lang. Mit einem Schwerpunkt auf München soll dargelegt werden, wie die anderen Parteien, die CSU inbegriffen, angeblich linksextreme Vereine und Initiativen bezahlen und die Medien lenken, um der AfD zu schaden. Es werden Beispiele etwa aus Berlin, Thüringen und Baden-Württemberg präsentiert. Im Visier sind dabei neben anderen die Mobile Beratung gegen Rechts oder auch die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes.
Brandenburg spielt in der Dokumentation keine Rolle. Doch hier hat sich die AfD schon in ähnlicher Weise beschwert - über das hiesige Aktionsbündnis gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt. Das Bündnis hatte 2016 eine 32-seitige Aufklärungsschrift herausgegeben: »Die neue Partei am rechten Rand. Programm und Positionen der Alternative für Deutschland«. AfD-Frontmann Gauland schäumte, man solle das Bündnis auflösen. Es sei »nicht hinnehmbar«, wenn mit finanzieller Unterstützung der rot-roten Regierung eine Broschüre herausgeben werde, »mit der versucht wird, die AfD in die Nähe des Rechtsextremismus zu rücken«.
Die AfD ärgerte sich auch über das seit 2017 im mehreren Auflagen gedruckte Plakat »Bunt statt Grauland«, das vom Aktionsbündnis bis heute angeboten wird und für das immer noch aus dem gesamten Bundesgebiet Bestellungen eingehen.
Ein Gutachten des Parlamentarischen Beratungsdienstes stellte fest, dass es dem Staat mit Rücksicht auf die Chancengleichheit aller nicht verbotenen Parteien untersagt sei, Oppositionsparteien unter Einsatz öffentlicher Mittel zu bekämpfen. Andererseits vermerkte das Gutachten des Beratungsdienstes: »Unter eine zulässige Öffentlichkeitsarbeit ist prinzipiell auch ein Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und die sie prägenden Elemente zu fassen. Dies gilt auch unterhalb der Grenze des staatlicherseits zu gewährleistenden Schutzes vor verfassungsfeindlichen Bestrebungen durch politische Parteien.«
Selbst hätte das Land die Broschüre nicht herausbringen, das Plakat nicht drucken lassen dürfen, meinte der Parlamentarische Beratungsdienst. Die indirekte Förderung des Aktionsbündnisses, das 1997 wegen damals grassierender rechter Gewalt gegründet wurde, sei aber in Ordnung. Das verstoße nicht gegen das Haushaltsrecht und nicht gegen das Demokratieprinzip - und es sei auch nicht verfassungswidrig.
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