Mietendeckel ab 2020

Stadtentwicklungsverwaltung will Mieten zunächst für fünf Jahre einfrieren

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

Am 18. Juni, in der letzten Sitzung vor der parlamentarischen Sommerpause, will der Senat die Eckpunkte des Berliner Mietendeckels beschließen. In Kraft treten soll das Landesgesetz, mit dem die Mieten im frei finanzierten Wohnungsbau zunächst für fünf Jahre gedeckelt werden sollen, spätestens am 11. Januar 2020. Das geht aus der von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung am Dienstag verschickten »Information der Koalition zu einem Berliner Mietengesetz« hervor, die »nd« vorliegt.

Demnach soll ab 2020 in der Hauptstadt für fünf Jahre ein »gesetzlich festgelegtes Mietenmoratorium« gelten. Mieter können die Überprüfung ihres Mietzinses auf Mietpreisüberhöhung beantragen. »In Form eines Absenkungsbegehrens wird die Miete dann auf die zulässige Miete reduziert, die sich an einer zu definierenden allgemeingültigen Mietobergrenze orientiert«, heißt es im Papier. Auch bei Neuvermietungen darf die Miete nicht steigen, eine Ausnahme stellt Neubau dar.

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Der Berliner Mieterverein begrüße, dass es Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (LINKE) ernst ist mit einer Mietenkappung als Landesgesetz. »Der Mieterverein sieht in den öffentlich-rechtlichen Vorgaben für Mietpreise eine klare Stärkung des Mieterschutzes«, erklärt dessen Geschäftsführer Reiner Wild. »Wir betreten damit juristisches Neuland, sind aber fest entschlossen, für unseren Vorschlag zu streiten«, bekräftigt Lompscher auf nd-Anfrage.

Die Gesetzesinitiative basiert auf einem Aufsatz des Berliner Juristen Peter Weber, der im November 2018 in der renommierten »Juristenzeitung« erschienen war. Dort legte er dar, dass eine landesgesetzliche Regelung seit 2006 möglich sei, da der Bund den Ländern damals die Zuständigkeit für das Wohnungswesen übertragen hatte. Öffentlich griffen zunächst Mitglieder der SPD Berlin-Mitte die zwölf Jahre übersehene Möglichkeit auf. Teile der Stadtentwicklungsverwaltung waren bis zuletzt skeptisch. Noch im Mai wurden nach nd-Informationen beispielsweise Bedenken geäußert, ob nicht Leerstände in Brandenburg die Legitimität eines Gesetzes in Frage stellten. »Es ist erfreulich, dass sich die Störmanöver aus der Verwaltung nicht durchgesetzt haben bei der Vorlage«, sagt Grünen-Mietenexpertin Katrin Schmidberger.

Das Eckpunktepapier sieht bei Modernisierungen eine Genehmigungspflicht vor, wenn in deren Folge die Bruttowarmmiete um mehr als

50 Cent pro Quadratmeter steigen soll. Gesetzlich vorgeschriebene Maßnahmen müssen genehmigt werden, bei Modernisierungen müssen jedoch zwingend entsprechende Fördermittel in Anspruch genommen werden. Angezeigt werden müssen alle Modernisierungen. Hauseigentümer können generell wirtschaftliche Härtefälle geltend machen und eine höhere Miete beantragen. Für Anträge und Genehmigungen soll die landeseigene Investitionsbank Berlin (IBB) zuständig sein. Für Verstöße gegen das Gesetz sollen Bußgelder bis zu 500 000 Euro verhängt werden können.

»Das ist noch nicht der Weisheit letzter Schluss«, sagt Reiner Wild. Einerseits hat er Zweifel, ob eine Bank wirklich die richtige Instanz ist, über solche Dinge zu entscheiden. »Eine Bank, die selbst Förderungen ausgibt, steht in einem Interessenskonflikt«, findet auch Schmidberger. Andererseits fürchtet Wild, dass das Anzeige- und Genehmigungssystem »eine Fülle von Anträgen generieren« werde. »Der Berliner Mieterverein setzt auf ein nachhaltiges und langfristiges Konzept. Wir werden daher alsbald dem Senat und dem Abgeordnetenhaus ein eigenes Modell vorstellen, dass auf Mietobergrenzen basieren wird«, kündigt Wild an.

Im Eckpunktepapier werden auch zwei Alternativen genannt: So könnte zum Moratorium eine Anpassung der Mieten entsprechend der Inflationsrate, dies wird jedoch als rechtlich problematisch benannt. Auch eine Mietobergrenze ohne Moratorium wurde diskutiert. »Profitieren von der Festlegung von Mietobergrenzen würden allein Mieterinnen und Mieter mit bereits höheren Mieten, die auch aufgrund ihres Einkommens in gut ausgestatteten Mietwohnungen mit adäquater Miethöhe wohnen könnten«, heißt es dazu.

»Unausgegoren und rechtlich angreifbar«, nennt CDU-Wohnungsexperte Christian Gräff das Konzept. Die finanzpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Sibylle Meister, fordert stattdessen eine Neubau-Offensive, von der sie glaubt, dass sie zu Mietsenkungen führen würde.

»Wenn wir uns in der Koalition auf die Umsetzung dieses Modells einigen können ist das eine gute Sache«, sagt Gaby Gottwald von der Linksfraktion vor der Tagung des Koalitionsausschusses, der am späten Nachmittag zusammentreten sollte.

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