Den Boden für gemeinwohlorientierte Zwecke nutzen

In Berlin entsteht derzeit der erste deutsche Community Land Trust. Das Modell will dem Markt dauerhaft Teile der Stadt entziehen - und setzt auf die Nachbarschaft

  • Alina Leimbach
  • Lesedauer: 4 Min.

Derzeit wird eine Reihe von Maßnahmen gegen den Mietenwahnsinn diskutiert. Kommunaler sozialer Wohnbau? Fällt irgendwann aus der Preisbindung und wird dann doch wieder zum Spekulationsobjekt. Genossenschaften? Muss man sich als Geringverdiener erst mal leisten können. Mitsprache darüber, wie sich der eigene Kiez über das eigene Haus hinaus entwickelt? Gibt es bei beiden eher weniger. Doch genau diese Mankos will nun eine neue Gruppe von Stadtaktiven beseitigen. Sie arbeiten in Berlin an dem ersten deutschen »Community Land Trust« (CLT). Über eine Stadtboden-Stiftung wollen sie Land erwerben, das dann günstig für gemeinwohlorientierte Zwecke verpachtet wird. »Unsere Vision ist es, dass der Boden dauerhaft der Spekulation entzogen wird, um bezahlbaren Wohnraum für die Anwohner*innen zu schaffen, aber auch Raum für für soziale oder kulturelle Anliegen und Projekte gibt«, sagt André Sacharow, der in der Initiative aktiv ist. Auch einzelne Gewerbe könnten zu einem CLT gehören. Denn für sie gelten viele Bestimmungen des Mieterschutzrechts nicht. Gerade kleinere, aber für den Kiez wichtige Geschäfte werden deswegen derzeit verdrängt.

Vorbild der Berliner Aktiven sind Projekte in den USA, Lateinamerika, Belgien und England. »In den USA entstanden erste Community Land Trusts bereits in den 70er Jahren«, erklärt Sacharow. Als ursprüngliches Projekt der Bürgerrechtsbewegung ging es darum, sich als schwarze Community die Chance auf guten und leistbaren Wohnraum und echte Mitsprache bei der Entwicklung zu schaffen. Derzeit gibt es alleine in den USA etwa 240 solcher CLTs, die mittlerweile von verschiedensten Bevölkerungsgruppen bewohnt werden.

Zentral für jeden Community Land Trust ist es, wie der Name sagt, Boden zu erwerben. Dieser wird dann an Nutzer*innen verpachtet, dafür steht der Begriff »Trust«. In Deutschland ist es beispielsweise das Erbpachtrecht, das die Mitglieder des CLTs dafür nutzen wollen. Anders als bei anderen Nutzungsverträgen können die Erbpächter nicht frei bestimmen, was sie mit dem Land anfangen, sondern müssen sich an gewisse Vorgaben halten. Und: Nach einer gewissen Zeit, beim Erbpachtverträgen sind es häufig 99 Jahre, fällt das Grundstück wieder zurück an die Besitzer*innen, die ihn dann erneut vergeben können. Verkauft werden kann das Land nicht. So können Teile der Stadt dauerhaft dem Markt und der ewigen Liebäugelei um Profite mit Immobilien entzogen werden. Für den Ankauf von Boden wiederum soll eine Stadtboden-Stiftung genutzt werden.

Nachbarschaft hat Mitspracherecht

Mit dem Erbpachtrecht arbeiten in Deutschland mittlerweile wieder vermehrt Kommunen und Stiftungen. Doch bei den CLTs gibt es noch einen weiteren bedeutsamen Unterschied: »Im Gegensatz zu Genossenschaften beispielsweise, deren Nutzung und Zweck von den Mitgliedern bestimmt wird, ist bei den Communtiy Land Trusts, wie der Name sagt, die Gemeinschaft wichtig. Neben den Nutzenden haben auch Nachbarinnen und Nachbarn ein Mitspracherecht, wenn es um die Zielsetzung eines Projekts geht«, sagt Sacharow. Auch die Öffentlichkeit und Teile der Verwaltung wie Politiker*innen sind als Teil des Konzept vorgesehen. »Was bei uns wichtig und auch etwas besonders ist, ist, dass wir alle Akteure an einen Tisch holen«, erklärt der CLT-Aktivist.

In Berlin hat das Projekt gerade einen starken Vertreter aus der Politik für ihr Projekt gewonnen: den Grünen Baustadtrat Florian Schmidt aus Friedrichshain-Kreuzberg. Die Unterstützung des Community Land Trusts ist ein wichtiger Teil seiner stadtpolitischen Strategie.

Derzeit wird die Satzung einer noch zu gründenden Stadtboden-Stiftung rechtlich geprüft. Monatelang haben die Initiator*innen daran gefeilt. Damit leisten sie echte Pionierarbeit. Denn in Deutschland gab es bislang noch keine Stiftung, die sich am Community-Land-Trust-Modell orientiert. Schon im Herbst dürfte es so weit sein: Dann wird die Gründung der Stiftung angepeilt.

Um bereits in dieser Phase den Gemeinschaftsaspekt hervorzuheben, sucht die Gruppe derzeit Kapitalgeber*innen für die Stiftung- und zwar am besten Kleinspendende. »Wir wollen, dass die Stiftung von vornherein von einer breiten Basis getragen wird«, sagt Sacharow. Auch mit einigen Grundstückseigentümer*innen sei man derzeit im Gespräch. Wer das sei und wann erste Erfolge zu verzeichnen seien, könne er aber noch nicht sagen, sagt das CLT-Mitglied.

Eines ist allerdings jetzt schon absehbar: Das Projekte zieht viel Interesse auf sich. »Wir bekommen Anfragen von Initiativen aus verschiedenen Teilen Deutschlands«, sagt Sacharow. Und: Der Berliner ist sich sicher, dass das Modell auch außerhalb der Hauptstadt Schule machen kann: »Das komplizierte daran ist vor allem die Ausarbeitung einer Stiftungssatzung. Wenn es so etwas erst einmal gibt, ist es für andere deutlich leichter, das lokal nachzuahmen.«

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