Kriegerischer Geldregen

Deutschland profitiert mit von den Spannungen in Nahost - doch zu welchem Preis?

  • Philip Malzahn
  • Lesedauer: 3 Min.

Trotz der im Koalitionsvertrag vereinbarten Exportbeschränkungen von Union und SPD wurden zwischen dem 1. Januar und dem 5. Juni allein 13 Exporte für 801,8 Millionen Euro nach Ägypten und 43 Exporte für 206,1 Millionen Euro an die Vereinigten Arabischen Emirate genehmigt. Dazu kommen unter anderem Exporte nach Kuwait für 70,9 Millionen Euro, in die Türkei 23 Millionen, und Jordanien für 3,4 Millionen Euro.

Alle Länder beteiligen sich an der von Saudi-Arabien angeführten Kriegsallianz im Jemen. Seit 2015 unterstützen dort insgesamt neun Staaten aus der arabischen Welt die von Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi geführte Regierung in ihrem Kampf gegen die Huthi-Rebellen, die hauptsächlich aus Iran Rückendeckung erhalten. Der Krieg hat mit über 20 Millionen von akuter Hungersnot bedrohten Menschen die wohl derzeit größte humanitäre Krise ausgelöst. Dazu fliegt die von Saudi-Arabien angeführte Kriegskoalition regelmäßig umstrittene Luftangriffe auf Zivilisten.

Die SPD drang vor diesem Hintergrund in den Koalitionsverhandlungen Anfang vergangenen Jahres auf einen Exportstopp für die an dem Krieg beteiligten Länder. Die Union willigte nur in eine deutlich abgeschwächte Formulierung ein: Rüstungslieferungen in »unmittelbar« beteiligte Länder wurden untersagt, bereits genehmigte Geschäfte wurden davon ausgenommen. Dennoch fand die sogenannte »Jemen-Klausel« ihren Platz im Koalitionsvertrag.

Dieser wurde im Zuge der brutalen Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggis im November 2018 verhängt, die höchst wahrscheinlich im Auftrag des saudi-arabischen Königshauses erfolgte. Doch sogar zwei Rüstungsgeschäfte mit dem Königshaus selbst genehmigte die Regierung - für das Land gilt eigentlich ein kompletter Exportstopp. Bei der Lieferung handle es sich um »sondergeschützte Geländewagen« für 831 003 Euro. Das sagte Ulrich Nußbaum, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium.

Auch die übrigen Lieferungen, vor allem an die Hauptempfänger Ägypten und die VAE, sind höchst bedenklich. Denn beide Länder engagieren sich militärisch nicht nur in Jemen, sondern zählen zu den stärksten Unterstützern des libyschen Generals Khalifa Haftar, der derzeit in mit seinem »Marsch auf Tripolis«, eine von ihm ausgerufene Offensive auf die Hauptstadt der konkurrierenden Nationalen Einheitsregierung international für viel Aufsehen sorgt.

Auch der Militärrat in Sudan, der seit dem Sturz des Präsidenten Omar al-Baschir nach monatelangen Protesten das Land regiert, erhält aus beiden Staaten viel Zuspruch. Am 3. Juni hatte das Militär ein Massaker in der Hauptstadt Khartoum eingeleitet, bei dem über 100 Menschen ums Leben gekommen waren.

Besorgniserregend ist derzeit zudem die Lage am Golf von Oman: Nachdem wiederholt Transportschiffe angegriffen wurden, erreicht der Konflikt zwischen Iran, Saudi-Arabien und der USA eine neue Eskalationsstufe. Bislang schieben sich alle drei Länder gegenseitig die Verantwortung für die Angriffe in die Schuhe. Irans Parlamentspräsident Ali Laridschani verglich die Angriffe sogar mit Pearl Harbor, in dem er die höchst umstrittene Theorie aufgriff, die USA hätten damals einen Angriff auf ihre Häfen zugelassen, um ihren Einstieg in den Zweiten Weltkrieg zu legitimieren.

Der saudi-arabische Kronprinz Mohammad Bin Salman drohte, man möchte »keinen Krieg in der Region«, werde aber »nicht zögern«, gegen »jedwede Bedrohung unseres Volks, unserer Souveränität, unserer territorialen Unversehrtheit und unserer zentralen Interessen« vorzugehen.

Vergangene Woche befand sich Außenminister Heiko Maas auf »Schlichtungsbesuch« in Teheran, scheiterte jedoch kläglich. Die nun veröffentlichen Zahlen bekräftigten: Die deutsche Rüstungspolitik trägt in keiner Weise zur Deeskalation der vielen Konflikte in der Region bei. Der deutsche Beitrag zur Aufrüstung fast der gesamten Region hingegen liefert das Werkzeug für eine drohende Eskalation. Mit Agenturen

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