Bundesregierung will IS-Kämpfer ausbürgern

Abstimmung in dieser Woche trotz rechtlicher Ungereimtheiten

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Islamische Staat füllte seine Reihen auch mit Kämpfern aus EU-Staaten, darunter Deutschland. Nach der Niederlage des IS will die Bundesregierung nun die Rückkehr der Kämpfer nach Deutschland verhindern, wo das möglich ist, weil sie in ihnen ein Sicherheitsrisiko sieht. In einem Gesetzentwurf plant sie deshalb die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit bei Doppelstaatlern. Im Grundgesetz heißt es im Artikel 16: »Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden.« Ausnahmen darf es allein per Gesetz und nur dann geben, »wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird«.

In einer Anhörung des Innenausschusses wurden am Montag vor der Abstimmung des Bundestages, die am Donnerstag stattfindet, die Positionen unter Einbeziehung von Sachverständigen abgeklopft. Diese machten wiederholt rechtsstaatliche Probleme deutlich. Um einen Streit zwischen den Koalitionspartnern CDU/CSU auf der einen und der SPD auf der anderen Seite zu vermeiden, waren ursprüngliche Pläne von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bereits im Vorfeld eingedampft worden. So gilt das Gesetz nur für Personen über 18 Jahre, nicht also für die Frauen und Kinder von IS-Kämpfern. Überhaupt ist der IS eine zu begrenzte Gruppe, als dass damit eine das Grundgesetz tangierende Gesetzesänderung zu begründen wäre. Im Entwurf ist deshalb von Zugehörigkeit zu einer »Terrormiliz« als Ausbürgerungsgrund die Rede. Zu ahnen ist, dass damit ein Präzedenzfall geschaffen wird, der zur Definition auch anderer Sondergruppen einlädt, sobald deren Ausbürgerung als politisch opportun erscheint. Das ist ein rechtsstaatliches Problem.

So behauptet die Bundesregierung in ihrem Entwurf, dass etwa kurdische Kämpfer gegen den IS nicht unter das Gesetz fielen. Doch wie lange gilt dies, wenn doch gleichzeitig kurdische Parteien kriminalisiert und ihre Symbole strafrechtlich verfolgt werden? Und auch rückwirkend kann das Gesetz natürlich nicht angewandt werden. Weshalb - ein weiteres Problem - die etwa in kurdischen Gefangenenlagern sitzenden IS-Kämpfer nicht betroffen sind, sondern erst dann mit Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft bestraft werden können, wenn sie sich an künftigen Kampfhandlungen oder terroristischen Aktionen beteiligen. Es geht also um Prävention, allerdings - wiederum problematisch - nur für die Doppelstaatler unter den deutschen IS-Kämpfern.

In der Konsequenz kann es dazu kommen, dass nicht nur anfechtbare Regelungen beschlossen werden. Sondern auch, dass Menschenrechtsverletzungen, die Angehörige von Terrormilizen begehen, ungesühnt bleiben, wie das Institut für Menschenrechte in seiner Stellungnahme warnt. Täter müssten verhaftet und in Deutschland vor Gericht gestellt werden. »Dieser Pflicht darf sich der deutsche Staat nicht durch eine Regelung über den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit entziehen«.

Im Bundesrat hat der Gesetzentwurf bereits eine breite Mehrheit gefunden. Die Länderkammer will ihn über die ursprüngliche Personengruppe sogar ausweiten. Und zwar um Personen, die mit mehr als einer Person verheiratet sind und die deutsche Staatsangehörigkeit erlangen wollen. Diese soll ihnen verwehrt werden, weil eine Identifikation mit dem bestehenden Gemeinwesen nicht vorliegt, wenn der Bewerber mit einem weiteren oder mehreren Ehegatten verheiratet ist. In Deutschland sei die Einehe »verfassungs- und strafrechtlich verankert«.

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