»Prompt am Mars vorbei geflogen«

Dr. Schmidt erklärt die Welt

Ein Artikel über den Diäthorrortrip eines jungen Mannes hatte den Titel »Tod der Kalorie« ...

Kalorie wird ja als gesetzliche Maßeinheit nicht mehr verwendet. Das ist heute Joule, es lässt sich problemlos umrechnen.

Dr. Steffen Schmidt

Dr. Steffen Schmidt, Jahrgang 1952, ist Wissenschaftsredakteur des »nd« und der Universalgelehrte der Redaktion. Auf fast jede Frage weiß er eine Antwort - und wenn doch nicht, beantwortet er eine andere.

Ines Wallrodt fragte ihn nach Kalorien und anderen Maßeinheiten.

Foto: nd/Ulli Winkler

Beim Abnehmen zählen die Leute aber immer noch Kalorien.

Das ist eine hübsche Abstraktion. Kalorien bezeichnete früher die Menge Wärme, die man braucht, um ein Liter Wasser zu erwärmen. Übertragen aufs Essen bedeutet das die Annahme, dass ein Nahrungsmittel im Körper in etwa die gleiche Energie freisetzt, wie wenn man die Nahrung verbrennt und die Verbrennungswärme misst. Aber wie soll das bei einem unverdaulichen, aber brennbaren Zucker funktionieren?

Im Alltag reicht meist eine ungefähre Vorstellung von Größen, Gewichten und Zeiten.

Ja, klar. Auf der anderen Seite wird der Alltag inzwischen durch Gerätschaften mitbestimmt, die auf extrem genaue Angaben angewiesen sind. GPS zum Beispiel. Viele Menschen benutzen das Handy als Stadtplan (und irren trotzdem ratlos durch die Stadt). Wenn die GPS-Daten nicht präzise sind, bist du vielleicht schon 100 Meter weiter und liegst im Wasser.

Die Idee von Maßen ist immer gewesen, etwas in der Natur zu finden, was überall verfügbar und halbwegs einheitlich ist. Kilogramm wurde auf Basis eines Klotzes genormt, Meter war eine Stange mit einer Platin-Iridium-Legierung. Diese Maßstäbe hat man inzwischen verworfen, weil sich die Länge doch verändert hat und man heute im Nano- und Pikometerbereich genau messen muss, wo dann die Stellen hinter dem Komma schon unübersichtlich werden.

Was ein Kilo oder ein Meter ist, ist aber erstmal einfach nur Setzung, oder? Man könnte ja auch 500 Gramm als ein Kilo definieren.

Könnte man, aber jetzt müsste man furchtbar viel umschreiben. Das würde wohl nur verwirren.

Macht auch keinen Sinn.

Die 500 Gramm haben im Alltagssprechen bis heute als Pfund überlebt. Im englischsprachigen Raum ist das tückisch. Da gibt es noch das alte Pound. Aber das sind nur vierhundertundeinpaarzerquetschte Gramm. Dass das Nebeneinander von alten und neuen Maßsystemen böse ausgehen kann, haben die Amerikaner mal mit einer Marssonde bewiesen. Ein Teil der Techniker rechnete mit Meter und Kilogramm, ein anderer mit Yard und Pound. Und prompt hatten die sich verrechnet und sind am Mars vorbei geflogen. Es gibt noch zwei alte Maße, die bis heute eine praktische Rolle spielen: die Meile in der Schifffahrt und der englische Fuß für die Flughöhe.

Komisch, dass man dafür ausgerechnet ein so kurzes Maß genommen hat.

Ich weiß auch nicht. Vielleicht, weil Flugzeuge am Anfang nur so kleine Hüpfer getan haben.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal