Kein Deutsch, keine Einschulung: CDU-Politiker erntet heftige Kritik

Kinder, die kein Deutsch sprechen, sollen nicht eingeschult werden, fordert Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann / LINKE, SPD und auch CDU kritisieren den Vorstoß als populistisch.

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann fordert, dass Kinder ausreichend Deutsch sprechen müssen, bevor sie an der Grundschule aufgenommen werden. »Um es auf den Punkt zu bringen: Ein Kind, das kaum Deutsch spricht und versteht, hat auf einer Grundschule noch nichts zu suchen«, sagte er der »Rheinischen Post«. Der CDU-Politiker schlägt für betroffene Kinder eine Vorschulpflicht vor. Notfalls müsse eine Einschulung auch zurückgestellt werden, sagte er.

Es müssten alle Alarmglocken schrillen, wenn bei Sprachtests wie in Duisburg mehr als 16 Prozent der künftigen Erstklässler gar kein Deutsch könnten, sagte Linnemann. »Bis tief hinein in die Mittelschicht erlebe ich Eltern, die ihre Kinder auf Privatschulen schicken, weil das Niveau an staatlichen Schulen sinkt.« Er warnte in dem Zusammenhang vor »neuen Parallelgesellschaften«. »Die Vorfälle in Freibädern, die Tat auf dem Frankfurter Bahnsteig, die Schwertattacke in Stuttgart - das alles wühlt die Menschen auf und befeuert die Sorge, dass neue Parallelgesellschaften entstehen könnten. Dem müssen wir jetzt vorbeugen.«

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger sagte, Linnemann habe natürlich Recht damit, dass die eigentliche sprachliche Förderung vor der Grundschule erfolgen müsste. Kinder sollten nach Meidingers Ansicht schon lange vor der Einschulung verpflichtende Sprachtests durchlaufen. »Ich bin ein absoluter Anhänger von bundesweiten, flächendeckenden Sprachstandstests bei Drei- und Vierjährigen.« Es gebe Ansätze dafür in einigen Ländern, aber leider passiere dann zu wenig, weil ausgebildetes Personal fehlten, und Grundschullehrer seien sowieso Mangelware.

Der Vorstoß Linnemanns stieß jedoch auch auf scharfe Kritik. Die Forderung, Kinder, die kein Deutsch könnten, nicht einzuschulen, sei eine Bankrotterklärung der Politik, sagte der Vorsitzende vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) Udo Beckmann. Zudem sei sie diskriminierend. »Denn es läuft doch darauf hinaus, dass vor allem Kinder mit Migrationshintergrund oder Fluchterfahrung zurückgestellt werden würden.« Der VBE forderte mit Blick auf Sprachförderung von der Politik mehr Unterstützung für die Kitas. Fast alle Kinder gingen inzwischen vor der Einschulung dorthin. Aber trotz hohen Engagements der Erzieherinnen und Erzieher führten Gruppengrößen, unzureichende Personalschlüssel und fehlende Sprachexperten dazu, dass manche Kinder nicht angemessen gut Deutsch sprächen.

LINKE-Chefin Katja Kipping erklärte: Mit seinen Äußerungen zu Grundschulkindern gehe Linnemann auf »Stimmenfang im rechten Sumpf«. Kipping warf dem CDU-Politiker vor, das Thema mit Meldungen über Gewalttaten von Erwachsenen zu vermengen. »Ist ihm nicht bekannt, dass der Täter von Frankfurt, der offensichtlich eine psychotische Störung hatte, fließend deutsch spricht und als Schweizer praktisch den gleichen Migrationshintergrund hat wie Alice Weidel?«

Die SPD-Bildungspolitikerin Marja-Liisa Völlers sagte, die Aussagen Linnemanns seien »wirklich zum Fremdschämen und populistisches Getöse wie in Wahlkampfzeiten«. Man könne Kinder nicht von der Grundschule ausschließen, nur weil sie schlecht Deutsch sprächen. Das schaffe Parallelgesellschaften und langfristige Integrationsprobleme, anstatt sie zu lösen. »Die Kinder sind genau richtig da, wo sie sind. Ein besseres Lernumfeld für alle Kinder als Schulunterricht mit Gleichaltrigen gibt es doch gar nicht.«

Auch die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien (CDU) hatten den Vorstoß zurückgewiesen. Prien bezeichnete die Forderung in der »Süddeutschen Zeitung« als »populistischen Unfug«, es sei »der völlig falsche Weg«. Diese Kinder gehörten vielmehr »im Rahmen der Regelbeschulung« in Deutsch-als-Zweitsprache-Klassen. »Im Jahr 100 nach Einführung der Schulpflicht« sollten gerade Christdemokraten »auf die soziale und gesellschaftliche Errungenschaft einer allgemeinen Schulpflicht hinweisen«, sagte Prien.

Die Ministerin kritisierte auch die Bundesregierung: »Der Bund hat massiv die Mittel zur Integration zurückgefahren, weil weniger Flüchtlinge nach Deutschland kommen«. Die Kinder, um die sich die aktuelle Debatte drehe, seien »allerdings schon hier und es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe dafür zu sorgen, dass diese Kinder in den kommenden Jahren die deutsche Sprache beherrschen lernen«. Sie sei deshalb dafür, »Kita und Vorschule zum Spracherwerb verpflichtend zu machen«. Agenturen/nd

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