Postreform wird verschärft

Wirtschaftsminister Altmaier möchte Zustellungstage reduzieren und Wettbewerb der Briefdienste verschärfen

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) möchte die Anzahl der Zustelltage für Briefsendungen überprüfen. Dies ist das Kernstück eines Gesetzentwurfs zur Reform des Postgesetzes von 1997. Während Postsendungen bislang an sechs Werktagen von Montag bis Samstag zugestellt werden, könnten in Anlehnung an eine EU-Norm künftig daraus nur noch fünf Tage werden.

Das Ministerium begründet den Vorstoß damit, dass Verbraucher ihre Kommunikation zunehmend auf elektronische Medien verlagerten. Kritiker halten dagegen, dass trotz E-Mail-Fluten eine zuverlässige Briefpost für Firmen, Behörden und Privatpersonen nach wie vor wichtig sei. So sei die Zahl der von der Deutschen Post zugestellten Briefe von 2016 bis 2018 nur unwesentlich von 18,6 auf 17,9 Milliarden zurückgegangen. Leidtragende einer Fünf-Tage-Regelung wären auch Tageszeitungen, die teilweise über die Post ihre Abonnenten versorgen und bereits von drastisch gestiegenen Postgebühren belastet würden.

Kritik kommt auch von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di kritisiert die Pläne. »Die Zustellung von Briefen und Paketen an die Haustür an sechs Tagen ist ein Kernelement einer qualitativ hochwertigen Postversorgung in Stadt und Land. Daran darf nicht gerüttelt werden«, so Vorstandsmitglied Andrea Kocsis. Eine Reduzierung würde mindestens 10 000 tariflich und sozial geschützte Arbeitsplätze in der Zustellung und in den Briefzentren gefährden.

Außerdem soll laut Altmaiers Reformkonzept wie in der Paketzustellung die Lizenzplicht für Briefdienste abgeschafft und durch eine einfache Meldepflicht ersetzt werden. Dies soll den Wettbewerb beflügeln. Lizenzpflicht bedeutet, dass Briefzustellerfirmen gegenüber der Bundesnetzagentur ein gewisses Maß an Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Fachkunde nachweisen müssen. Eine Abschaffung würde nach Ansicht vieler Kritiker unseriöse Anbieter auf den Plan rufen, Dumpingpraktiken fördern sowie die Lage zum Nachteil von Beschäftigten und Kunden weiter verschlechtern. »Mehr Wettbewerb auch bei der Briefzustellung läuft darauf hinaus, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben«, so der Bundestagsabgeordnete Pascal Meiser (LINKE). »Die desaströse Entwicklung bei den Paketzustellern zeigt, wohin blinde Marktgläubigkeit führt und was das für die Arbeitsbedingungen der Zusteller und die Qualität der Zustellung bedeutet.«

Derartige Folgen ließen sich schon kurz nach der Jahrtausendwende in Wiesbaden beobachten. Dort kam die Stadtverwaltung auf die Idee, aus Kostengründen die Briefzustellung der Deutschen Post zu entziehen und auf das vom Zeitungsverlag VRM gegründete Unternehmen postino zu übertragen. Im Ergebnis landeten regelmäßig wichtige Schriftstücke entweder gar nicht oder nicht fristgerecht bei den Empfängern. Schließlich kündigte die hessische Landeshauptstadt den Vertrag mit postino und besann sich wieder verstärkt auf die traditionelle Post und eigene Boten.

Ein Punkt in Altmaiers Reformplänen findet indes breite Zustimmung: die Stärkung der Verbraucherrechte durch effektive Beschwerdeverfahren. Allerdings dürfte das nicht mehr als ein Trostpflaster darstellen, nachdem bereits so viel falsch gelaufen ist. Seit Jahren häufen sich Beschwerden über Zustellungspannen. Ihre Anzahl hat sich laut Bundesnetzagentur allein von 2017 auf 2018 auf 12 500 verdoppelt. Dies dürfte nur die Spitze des Eisbergs sein, weil sich nach allgemeiner Erfahrung nur eine Minderheit grollender Kunden zu einer förmlichen Beschwerde aufrafft.

Qualitätsmängel sind offenbar eine Folge der Mitte der 1990er Jahre von der schwarz-gelben Regierung Kohl mit Hilfe der SPD eingeleiteten Privatisierung von Post, Postbank und Telekom. Damit wurden die Gewinne privatisiert und die Verluste sozialisiert. Allein die inzwischen zu knapp 80 Prozent privatisierte Deutsche Post AG, die gerade erst die Gebühren für verschiedene Versendungsarten erhöht hat, schüttet Jahr für Jahr Dividenden in Milliardenhöhe an ihre Aktionäre aus. Demgegenüber konnte die staatliche Deutsche Bundespost mit ihren Bereichen Post, Telekommunikation und Postbank Ende der 1980er Jahre noch rund fünf Milliarden DM an den Bundeshaushalt abführen.

Zumindest die Linkspartei will sich damit nicht abfinden. »Im Interesse der Gesellschaft wollen wir diese Unternehmen zu modernen öffentlichen Einrichtungen der Daseinsvorsorge unter demokratischer Kontrolle umgestalten«, hieß es in einer auf dem Bundesparteitag 2015 beschlossenen Resolution.

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