Schon Sanktionen verletzen Recht

Aufruf will aufrütteln: USA und NATO versuchen an atomare Kriegsgefahren zu gewöhnen

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.

Man kann es beinahe als Bestätigung einer hoffnungsvollen These betrachten; dass nämlich die Linke über alle Meinungs- und sonstigen Differenzen hinweg in der Frage um Krieg und Frieden letztendlich Geschlossenheit zeige. Unter einem Aufruf »Nie wieder Krieg! Frieden und Zusammenarbeit statt Aufrüstung und Konfrontation!« finden sich nicht nur die Vorsitzenden der Linkspartei, Katja Kipping und Bernd Riexinger, neben denen der Bundestagsfraktionsspitze, Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, oder Gregor Gysi neben Oskar Lafontaine, sondern auch Hans Modrow neben dem Schriftsteller Eugen Ruge, der Sänger und Schauspieler Joachim Witt neben Frieder Otto Wolf von den Grünen, Konstantin Wecker neben dem Gewerkschafter Uwe Wötzel oder dem Kapitalismus- und Globalisierungskritiker Jean Ziegler.

Über 150 Personen aus der Friedensbewegung, der politischen Linken, aus Gewerkschaften und der Kultur haben den Aufruf unterschrieben und appellieren damit an die Bundesregierung, Deutschland dürfe sich »an einer Politik der Konfrontation, der Sanktionen und der Aufrüstung nicht länger beteiligen, sondern muss sich ihr widersetzen und dafür Partner in Europa und weltweit suchen. Die Nutzung von Militärbasen und anderer Infrastruktur in Deutschland für völkerrechtswidrige Kriege darf nicht gestattet werden.«

Die Forderung richtet sich auch an Parteien und Medien in Deutschland, wie der Mitinitiator des Aufrufs und Spiritus Rector der Friedensbewegung Reiner Braun am Dienstag in Berlin erläuterte. Denn diese mäßen in ihrer Mehrzahl mit zweierlei Maß, wenn sie Russland und China regelmäßig als das Böse und den Westen dagegen unkritisch als das Gute behandelten. Die gegenwärtig dramatisch zunehmende atomare Kriegsgefahr resultiere aus einer Illusion, die bereits längst überwunden schien. Nämlich dem Irrglauben, dass eine Seite die Fähigkeit zum Erstschlag und zum Überleben des Gegenschlags besitze oder erwerben könne. Von wem die größere Gefahr ausgeht, das zeigt ein simpler Vergleich im Aufruf: »Die Rüstungsausgaben der USA sind doppelt so hoch wie die von China und Russland zusammen, die der NATO dreimal so hoch. In den kommenden Jahren sollen sie dramatisch weiter erhöht werden.« Weltweit gebe es rund 1000 Militärbasen, so Reiner Braun. Von diesen betrieben die USA 800. Äquidistanz reiche für die Friedensbewegung hier nicht aus, argumentierte Braun. Es brauche die Analyse der Interessen, die zu Aufrüstung und Krieg treiben.

Die massivsten Völkerrechtsverstöße gingen seit langem von den USA aus, zitiert Mitinitiator Ralf Krämer, Gewerkschafter und Mitglied im Parteivorstand der LINKEN, aus dem Aufruf. Dennoch werde Russlands Annexion der Krim als einziges Beispiel völkerrechtswidrigen Verhaltens behandelt. Hier würden »doppelte Standards« angelegt, so Krämer. Die Verletzung des Völkerrechts durch USA und NATO geschehe ungleich öfter. Auf einen besonderen Aspekt wies hier Wiebke Diehl hin, Islamwissenschaftlerin und aktiv im International Peace Bureau. Die Verhängung von Sanktionen gegen politisch missliebige Staaten sei nicht nur ein klarer Verstoß gegen das Völkerrecht und ein »anderes Mittel der Kriegführung«. Sanktionen seien die Massenvernichtungswaffen des 21. Jahrhunderts.

Der Aufruf wendet sich daher auch gegen die Sanktionen der EU. Auch sie seien »nicht durch UN-Beschlüsse gedeckt und stehen politischen Konfliktlösungen im Wege«. Am Vortag des 1. September, an dem sich der Überfall des faschistischen Deutschland auf Polen zum 80. Mal jährt, lädt der Initiatorenkreis zu einer Konferenz in Berlin, auf der Hintergründe aktueller Kriege und Kriegsgefahren diskutiert werden sollen. Diese öffentliche Veranstaltung, auf der unter anderem Hans Modrow auftreten wird, soll die Diskussion führen, die die Initiatoren mit ihrem Aufruf bundesweit auslösen wollen. Und sie hoffen, dabei auch Menschen zu erreichen, die im bisherigen Unterstützerkreis unterrepräsentiert sind: mehr aktive Politiker der SPD und der Grünen sowie der jungen Generation. Immerhin wird die Fridays-for-Future-Bewegung vertreten sein.

Für Unterstützer: https://nie-wieder-krieg.org/. Die Konferenz findet am Sonnabend, 31.08., von 17.00 bis 21.00 Uhr im Haus der Demokratie und Menschenrechte, Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin, statt.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das beste Mittel gegen Fake-News und rechte Propaganda: Journalismus von links!

In einer Zeit, in der soziale Medien und Konzernmedien die Informationslandschaft dominieren, rechte Hassprediger und Fake-News versuchen Parallelrealitäten zu etablieren, wird unabhängiger und kritischer Journalismus immer wichtiger.

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!

Unterstützen über:
  • PayPal