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Bernd Zeller überlegt, wie sich Abgeordnete während einer Zwangspause des Parlaments nützlich machen könnten

  • Bernd Zeller
  • Lesedauer: 3 Min.

Unser heutiger Bericht befasst sich mit der Maßnahme des britischen Premiers Boris Johnson, das Parlament in eine Ruhepause zu versetzen. Bei uns heißt dieser Zustand Bundestag, sagen einige böse Zungen, doch zu Unrecht, denn das wäre stark übertrieben. Die Queen hat das Vorhaben genehmigt - sie wartet seit 400 Jahren auf diese Gelegenheit. In Deutschland haben wir die Monarchie abgeschafft, und für wohl alle bisherigen Bundespräsidenten können wir garantieren, dass sie dies nicht gebilligt hätten.

Nachdem Johnson von der Presse ausgiebig gerüffelt wurde, können wir uns nun mit den weniger beachteten Vorteilen beschäftigen, die eine Zwangspause des Parlamentes hätte. Niemand kann bestreiten, Abgeordnete oder ganze Fraktionen zu kennen, die er lieber nicht im Bundestag oder Landtag sähe und die lieber auch pausieren sollten. Vielleicht ist ja der Schaden, der dadurch entstünde, dass die Zwangspause alle träfe, geringer als dieser Vorteil.

Die Pause dürfte natürlich nicht auf die Legislaturperiode angerechnet, sondern müsste nachgedient werden. Die Wahlen verschöben sich dementsprechend nach hinten. Auch hier gibt es viele ernst zu nehmende politische Stimmen, die dies für eine Verbesserung hielten.

Nun könnte man unter Demokratieaspekten darin ein Problem sehen, aber es wäre lösbar. Etwa, indem die Wahlen turnusgemäß stattfinden, das neu gewählte Parlament aber nicht zusammenkommt. Hätte dann die Regierung überhaupt ein Mandat? Wenn es eine Merkel-Regierung ist, auf jeden Fall; die Kanzlerin wartet im amtierenden Modus so lange, bis sich irgendjemand findet, der mitmachen möchte. Das genügt aus staatsrechtlicher Sicht. Genaugenommen befinden wir uns auf europäischer Ebene momentan in eben diesem Zustand. Von der noch nicht existierenden neuen EU-Kommission weiß man nur, dass Ursula von der Leyen ihr vorsteht, die Wahlen waren im Mai. Aber eben die Wahlen zum Parlament, das jetzt genauso gut heruntergefahren werden könnte.

Weniger leicht ist die Frage zu beantworten, was denn die zwangsbeurlaubten Parlamentsmitglieder machen sollen. Die meisten haben Nebeneinkünfte, aber ob die mit einer ausfüllenden sinnvollen Arbeit verbunden sind, wäre zu bezweifeln, zumal viele der Beratertätigkeiten eigentlich eine Bezahlung für das Beratenwerden bedeuten und irgendwo in Verbindung mit dem Zugang zu wichtigen Positionen und Personen stehen.

Die Beamten unter den Abgeordneten haben meist die Möglichkeit der Rückkehr an den vorherigen Arbeitsplatz, was aber erst nach dem Ausscheiden aus dem Parlament vorgesehen ist und nicht während einer Beurlaubung.

Leute mit einem richtigen Arbeitsplatz haben eine solche Garantie üblicherweise nicht, weswegen sie eine Kandidatur scheuen, so dass kaum jemand von dieser Konstellation betroffen sein dürfte.

Außerdem sind überdurchschnittlich viele Rechtsanwälte in den Parlamenten, und ob wir wirklich noch mehr Rechtsanwälte brauchen, ist fraglich. Wobei der Gedanke naheliegt, sie während der Parlamentspause zur Aushilfe an Staatsanwaltschaften und Gerichte zu verpflichten. Überlastet sind immer nur die Richter und Staatsanwälte, nie aber die Anwälte. Da klafft die Schere zwischen Justiz und Verteidigung. Wir nehmen Quereinsteiger bei Lehrern, da können auch mal Volljuristen dort aushelfen, wo sie auf Kollegen treffen, die mit besseren Examensnoten verbeamtet wurden, aber jetzt weniger verdienen. Sie müssten nur davor geschützt werden, dass man sie mit den Gesetzen konfrontiert, die sie selbst zu verantworten haben.

Damit drängt sich der Gedanke auf, die Abgeordneten im Ferienpraktikum als Hilfslehrer an Schulen mit Personalbedarf zu verpflichten. Die Parlamentsverwaltung könnte genug Geld für die psychologische Betreuung der sicherlich bald traumatisierten und schockierten parlamentarischen Lehrkräfte bereitstellen.

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