Kurs auf sicheren Hafen

Berlin will mittels Gesetzesänderung aus Seenot gerettete Flüchtlinge aufnehmen können

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 3 Min.

Manchmal kann ein Wort alles ändern. Insbesondere, wenn dieses Wort in einem Gesetz steht. Erst recht, wenn es sich dabei um das Aufenthaltsgesetz handelt. Das besagt bislang, dass Bundesländer und Kommunen bei der humanitären Aufnahme von Geflüchteten vom Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern (BMI) abhängig sind. Heißt: Wenn sich Berlin dazu bereit erklärt, aus Seenot gerettete Menschen aufzunehmen, muss das BMI zustimmen. Das hat es aber noch nie getan und alle solidarischen Appelle der rot-rot-grünen Landesregierung liefen bislang ins Leere.

Um das zu ändern, hat der Senat am Dienstag eine Bundesratsinitiative beschlossen, um aus dem Wort »Einvernehmen« das Wort »Benehmen« zu machen. Ein kleiner aber feiner Unterschied: Dadurch bräuchte Berlin bei der humanitären Aufnahme von Geflüchteten nicht länger die Zustimmung des abschottungsfreundlichen Heimatministers Horst Seehofer (CSU) mehr, sondern müsste das BMI lediglich darüber informieren. Mit dem Gesetzesentwurf zur Änderung von § 23 Aufenthaltsgesetz aus dem Hause von Innensenator Andreas Geisel (SPD), will die Koalition dem Anspruch als solidarische Stadt und sicherer Hafen endlich gerecht werden.

Bundesratsinitiative zu Grundsteuer

Der rot-rot-grüne Senat hat am Dienstag neben der Initiative zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes auch die Initiative zur Abschaffung der Grundsteuer-Umlagefähigkeit beschlossen. Die Abschaffung folgt dem Grundsatz »Eigentum verpflichtet« und soll die Mieterinnen und Mieter entlasten, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung der Justiz-, der Finanz- und Stadtentwicklungsverwaltung.

Bislang ist es so, dass die Grundsteuer häufig als Teil der Betriebskosten auf die Mieterinnen und Mieter abgewälzt wird. »Dieser Schritt wäre eine deutliche Entlastung von über 36 Millionen Mieterinnen und Mieter«, erklärte Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (LINKE). mkr

»Wir sind ja nicht umsonst in dem Solidarity-City-Netzwerk«, sagt der Sprecher der Innensenatsverwaltung, Martin Pallgen dem »nd«. Berlin, Hamburg und Bremen hätten sich in der Vergangenheit bereits mehrfach bereit erklärt, aus Seenot gerettete Flüchtlinge unkompliziert aufzunehmen - ohne Erfolg. »Bereitschaft zu erklären ist das eine, auch wirklich handeln zu können, das andere«, so Pallgen. Vor dem Hintergrund der humanitären Katastrophe im Mittelmeer wolle Berlin jedoch handeln.

»Obwohl sich viele Städte zur Aufnahme bereit erklären, werden sie momentan vom Innenministerium gebremst und die Flüchtlinge müssen wochenlang auf hoher See ausharren. Das ist eine humanitäre Zumutung«, findet auch die flüchtlingspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Katina Schubert. Sie begrüßt daher die Bundesratsinitiative: »Die Herausforderung besteht nun darin, andere Bundesländer zu finden, die das unterstützen.« Die Landeschefin der Berliner LINKEN ist jedoch zuversichtlich, dass die SPD- und grün-regierten Länder zustimmen werden. Möglicherweise nicht nur die: Dem Seebrücke-Bündnis »Städte Sicherer Hafen« haben sich auch CDU-Bürgermeister angeschlossen.

Für die Initiative Seebrücke ist der Gesetzesentwurf ein »Schritt in die richtige Richtung«. »Es ist gut, dass die Städte nicht nur sagen, dass sie die Menschen aufnehmen wollen, sondern auch die rechtlichen Schritte dafür schaffen«, sagt Sprecherin Liza Pflaum dem »nd«. Ob die aus Seenot geretteten Menschen dann auch tatsächlich umgehend von den Städten aufgenommen werden können, stehe auf einem anderen Blatt. »Wir betreten hier Neuland. Die Landesaufnahmeprogramme dauern bisher zu lange«, meint sie. Dass die Initiative im Bundesrat Erfolg haben könnte, bezweifelt Pflaum angesichts der wachsenden Anzahl der Städte, die sich zum sicheren Hafen erklären, nicht.

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