Lärm im Spiegel

Im Satiricum in Greiz, Thüringen, gibt es eine Erich-Ohser-Ausstellung und eine Gedenkschau für Lothar Otto, Achim Jordan und Andreas Prüstel

  • Harald Kretzschmar
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Malerei aus den Ateliers der DDR stößt zur Zeit auf neu belebtes öffentliches Interesse. Nur die kleine feine grafische Kunst bleibt im Abseits. Und damit auch die grafische Bildsatire. Wir wollen sie nicht überschätzen - sie operierte stets marginal. Doch so nebensächlich wie heute wurde sie noch nie eingestuft. In den Printmedien unterbeschäftigt, sind ihre Künstler im Internet schwer auffindbar. Die Gleichgültigkeit nimmt zu. Erst als im August drei Zeichner starben, wurde ihre Kunst aus dem Depot des Greizer Satiricums geholt, um eine Gedächtnis-schau für die Karikaturisten Lothar Otto, Achim Jordan und Andreas Prüstel zu präsentieren.

Wenn man so will, war das ein später Beitrag zur thüringischen Landtagswahl: die besondere Würdigung von Ostbiografien. Die von Otto, Jordan und Prüstel geschaffenen Bildsatiren haben eine unverwechselbar kritische Bildsprache, die individuell zuspitzt und in dieser Form heute nicht mehr anzutreffen, beziehungsweise verdrängt worden ist.

Ihre Arbeiten werden nun im Sommerpalais des Fürstengeschlechts der Reussen gezeigt, mitten im neuerdings wieder »Fürstlich Greizer Park« genannten Areal. Bravo, selbst die Bäume dürfen hier von Adel sein. Deren Wipfel nicken zustimmend zu den Fenstern des Mittelgeschosses hinein, in dem freche Blätter, die in den 80er-Jahren preiswürdig waren, ausgestellt werden. Es ist eine Hommage an die sachsentypische Variante von Kunst, welche das »System« DDR heiter begleitete.

Unmittelbar daneben gesellt sich ein gar nicht so entfernter Verwandter dieser drei Künstler mit einer eigenen Ausstellung dazu: In »Der doppelte Erich« werden Zeichnungen von Erich Ohser gezeigt die er zu Lyrik von Erich Kästner anfertigte - als Feuerwerk pointierter Kunst. 1928 war Ohser von Leipzig aus mit dem Dresdner Dichter Erich Kästner nach Berlin aufgebrochen. Ihre Freundschaft war zeitkritisch begründet. Der Verseschmied schleuderte in dem Leipziger Journal »Der Drache« politische Blitze, und der Zeichner gab zeichnerischen Zunder dazu in die folgenden Buchausgaben. Sein Thema ist das Figürliche in komischen Verrenkungen.

Die nach Verlust der Originale fast gleichwertigen Faksimile-Repros bringen komplett das, was Kästner und Ohser 1928 zu »Herz auf Taille«, 1931 zu »Lärm im Spiegel« und 1932 zu »Gesang zwischen den Stühlen« publizierten. 1933 wurden beide politisch illegal, aber mit dem Kästnerlektor Kurt Kusenberg konnte Ohser 1934 seine humoristischen Bildgeschichten »Vater-und-Sohn« etablieren - unter dem Pseudonym e.o.plauen, gebildet aus seinem Namen und dem der sächsischen Stadt Plauen, wo er aufgewachsen war. Dort war er auch von seinem Freund, dem Journalisten Erich Knauf entdeckt und gefördert worden. Der war der dritte Erich, auch er war mit Kästner befreundet. Die Nazigegner Knauf und Ohser wurden 1944 denunziert und verhaftet. Knauf wurde hingerichtet, Ohser erhängte sich.

Im sächsischen Deutschland fand Ohser zum Glück viele Nacheiferer. Persönliche Freunde wie Albert Schaefer-Ast und Carl Sturtzkopf waren im Osten präsent. Und dann auch die nächste Generation: Der Chemnitzer Lothar Otto übte an derselben Grafikhochschule in Leipzig die Schule hoher Zeichenkultur, und blieb zeitlebens dort. Nicht nur der Berliner »Eulenspiegel« und der Rorschacher »Nebelspalter« zehrten von seinen witzigen Ideen. Nein, von 1985 bis 1997 war er dazu der zeichnerische gute Geist des wiederbelebten Heftchens »Der Drache«. In Greiz wurde er dreimal hintereinander erster Preisträger der Satiricum-Biennalen.

Um das Jahr 1989 herum initiierte Ottos Freundeskreis mit den »Karicartoon«-Ausstellungen eine satirisch aufmüpfige »Leipziger Schule«. Prominent vornan war Achim Jordan. Der in Magdeburg Geborene war seinerzeit nach dem Kunststudium ebenso schnell zum Leipziger Urgestein geworden. Durch alle politischen Zwänge geschlüpft, machte sich der langjährige parteiamtliche Hauszeichner der »Leipziger Volkszeitung« 1989/90 mit der spontanen Kreation des satirischen Tagebuches der Leipziger Montags-Demos und ihren Folgen einen Namen. Es ist schön, dass solche »KarikaPur« in dieser Ausstellung wiederzufinden ist.

Auch der jüngere Andreas Prüstel ist gebürtiger Leipziger, hatte in dieser Stadt aber wenig Glück. Er fasste erst 1983 in Berlin so gründlich Fuß, dass seine Collagen und Montagen mit einem Schlag die Kunstausstellungen eroberten. Aber erst seit 1990 durfte er endlich gedruckt dem gewendeten »Eulenspiegel« zu kritischer Hochform und neuem Glanz verhelfen.

Einige, man kann sagen, zu wenige, dieser Musterbeispiele von Bildmetaphern sehen wir jetzt hier wieder. Rechtliche Bedenken der Fotobranche brachten das Collagen.Projekt leider bald zu Fall. Und tragisch genug: Sein Schwenk in die Cartoon-Zeichnerei war mit Hilfestellungen für die Zeitungen der Berliner Obdachlosen edel und hilfreich, aber weniger gut für seine Haushaltkasse. In ihm wetteiferten der Zeichner und der Herausgeber von Cartoonbüchern - leider für kümmerliche Honorare.

»Der doppelte Erich - Erich Ohser illustriert Erich Kästner«, bis 20. Februar. »Zum Gedenken an die Karikaturisten Lothar Otto, Achim Jordan und Andreas Prüstel«, bis 2. Februar. Satiricum Sommerpalais Greiz

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