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  • Impeachment gegen Donald Trump

Buhen und abstimmen

Das Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump wird diese Woche mit öffentlichen Anhörungen fortgesetzt

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 6 Min.

Wie sehr verabscheuen die Vereinigten Staaten ihren Präsidenten Donald Trump? Sollte und wird er das Schicksal von Bill Clinton oder das von Richard Nixon teilen? Diese Frage wird in der Öffentlichkeit und bei dem Amtsenthebungsverfahren im US-Repräsentantenhaus verhandelt. Abseits seiner Wahlkampfauftritte vor glühenden Anhängern schlägt Trump bei seinen seltenen Auftritten vor »Normalamerikanern« mittlerweile offene Ablehnung entgegen. Zuerst wurde er beim Besuch eines Baseballspiels in der Hauptstadt von Tausenden Fans der Washington Nationals von einem gellenden Pfeifkonzert und »Sperrt ihn ein!«-Sprechchören empfangen.

Obwohl die Anstandswauwaus, die Starmoderatoren in liberalen Fernsehsender, erklärten, aus Staatsräson gehöre es sich nicht, den eigenen Präsidenten auszubuhen: Das »gemeine Volk« hielt sich nicht daran. Wenige Tage später erhob sich sofort ein gellendes Pfeifkonzert, als der Moderator eines Mixed-Martial-Arts-Kampfes das Eintreffen des US-Präsidenten ankündigte. Die Fans der Szene hätten eigentlich ein Trump-freundliches Publikum sein müssen, sie sind eher für das bekannt, was Trump bedient: Inszenierung von Männlichkeit und Härte - die Sportart ist kein Hort linksliberaler politischer Korrektheit.

Im Parlament haben die Demokraten, die den Vorwurf des rein parteitaktisch motivierten Vorgehens so gut wie möglich zu entkräften versuchen, in den letzten Tagen und Wochen daran gearbeitet, eine gut belegte Anklage vorzubereiten, die keinen Zweifel zulässt. Zuerst hatten die Demokraten Trump erfolgreich genug unter Druck gesetzt, dass dieser ein redigiertes Transkript des Telefonats mit dem ukrainischen Präsidenten veröffentlichte. Trumps Kalkulation, dies würde ihn entlasten, ging allerdings nicht auf. Dann wurde auch noch die offizielle Beschwerde des Whistleblowers veröffentlicht, der zuerst Alarm geschlagen hatte, dass der US-Präsident US-Militärhilfe an die Ukraine zurückgehalten habe, um so zu erzwingen, dass dort eine öffentliche Erklärung verlautet wird, dass gegen die Biden-Familie wegen vermeintlicher Korruption ermittelt wird.

Dann erhielten die untersuchenden Abgeordneten der Demokraten Textnachrichten von US-Diplomaten, die aufzeigten, wie die Zurückhaltung der Militärhilfe koordiniert wurde. Die daran Beteiligten wurden in den Ausschüssen vorgeladen, um die Details persönlich darzulegen. Dabei stellten sich die Karrierediplomaten, die sich jahrelang hochgedient hatten, gegen die von Trump ernannten Botschafter, die ihr Amt nach Wahlkampfspenden an Trump von diesem erhalten hatten.

Ende vergangener Woche hat Trump-Günstling und EU-Botschafter Gordon Sondland bestätigt, was Trumps Stabchef Mick Mulvaney schon nonchalant in einem Ausrutscher zugegeben hatte: Natürlich sei das eine unlautere Beeinflussung eines Alliierten in einer schwächeren Position zum eigenen persönlichen Vorteil gewesen, aber das passiere in der Außenpolitik doch ständig, so die Behauptung. Die Demokraten sollten sich deswegen »nicht so anstellen«. Und dann erinnerte sich Sondland doch noch: Ja, es habe doch ein quid pro quo gegeben, die Auszahlung der Militärhilfe an die Ukraine sei von einem »öffentlichen Statement« in Sachen Biden abhängig gemacht worden. Im Oktober hatte er noch erklärt, er habe nicht gewusst, warum die Militärhilfe zurückgehalten worden sei.

Genaue Dokumentation

In der US-Verfassung steht in Artikel zwei, Absatz vier zum Thema Impeachment das Folgende: »Der Präsident, der Vizepräsident und alle Staatsdiener können nach einer Verurteilung wegen Verrat, Bestechung oder schwerer Verbrechen und Ordnungswidrigkeiten aus dem Amt entfernt werden«. Das ethisch richtige Verhalten des US-Präsidenten zu überwachen ist laut Verfassung Aufgabe des US-Kongresses. Seit 1789 hat die untere Parlamentskammer übrigens 62 Amtsenthebungsverfahren eingeleitet, hauptsächlich gegen Richter diverser Bundesgerichte.

Anfang vergangener Woche hatten die Demokraten die erste Abstimmung zum Thema Impeachment abgehalten. Mit der wurden Regeln für das Impeachmentverfahren festgelegt, zusätzlich zu den bereits bestehenden. Unter anderem wurde das Verfahren zur Veröffentlichung von Dokumenten festgelegt, welche Rechte Trumps Anwälte haben, und dass Republikaner und Demokraten bei den Anhörungen von Zeugen jeweils 45 Minuten Zeit haben, Fragen zu stellen. Obwohl das führende Demokraten abstreiten: Ihr Grund war auch, den Republikanern ein Argument zu nehmen. Die hatten in den Tagen und Wochen zuvor die nicht-öffentliche Anhörung von Zeugen wie die Ex-Ukraine-Botschafterin Marie Yovanovitch öffentlich als intransparent kritisiert und im Subtext eine parlamentarische Verschwörung der Demokraten behauptet - trotz der Tatsache, dass auch die republikanischen Mitglieder der »verhörenden« Ausschüsse Fragen stellen konnten. Für Beobachter war das Abstimmungsergebnis trotzdem wichtig, war es doch ein Test für die Einigkeit der Demokraten.

Am 31. Oktober stimmten 233 Demokraten im US-Repräsentantenhaus für das Regelwerk, nur zwei Abgeordnete der Demokraten stimmten mit den Republikanern dagegen. Aktuell sind laut den Datenjournalisten von »FiveThirtyEight« 48 Prozent der Amerikaner für eine Amtsenthebung von Trump, 44 Prozent sind dagegen. Unter den Demokraten-Anhängern stimmen 84 Prozent dem Vorgehen der Demokraten gegen Trump zu, unter den Unabhängigen, die sich keiner Partei zuordnen, sind es 44 Prozent. Zum Vergleich: Zu Beginn der Amtsenthebung gegen Nixon im Mai 1973, vor den im Fernsehen übertragenen öffentlichen Anhörungen, unterstützten nur 19 Prozent der Amerikaner eine Amtsenthebung wegen des Einbruchs bei den Demokraten im Watergate-Bürokomplex in Washington. Wenige Monate später waren es 57 Prozent.

Ringen um Zustimmung

Auf einen ähnlichen Effekt hoffen die Demokraten auch mit den in dieser Woche startenden öffentlichen Befragung der Zeugen, die zuvor nicht-öffentlich befragt wurden, damit sie ihre Aussagen nicht absprechen konnten. Viele neue Erkenntnisse sind nicht zu erwarten, zum Teil sind die Transkripte der Aussagen bereits durch die Demokraten veröffentlicht worden. Bei den öffentlichen Anhörungen geht es um Medienpolitik, um Social-Media-taugliche Fernsehclips von hochdekorierten und des Linksradikalismus unverdächtige Militärs wie Alexander Vindman, die Trump Verfassungsbruch vorwerfen. Vindman war beim Ukraine-Gespräch im Zuge seiner Arbeit im Weißen Haus als Experte für Militäroperationen ebenfalls in der Leitung.

Nach den Anhörungen wird dann der Justizausschuss des US-Repräsentantenhauses in den nächsten Wochen die offiziellen Anklagepunkte im Amtsenthebungsverfahren ausformulieren. Der Zeitplan ist noch unklar, aber bei den Demokraten machen viele Druck für eine schnelle Entscheidung, damit das Verfahren Anfang des kommenden Jahres abgeschlossen ist und sich nicht lange ins Wahljahr hineinzieht.

Inhaltlich interessant wird sein, welche Anklagepunkte der Ausschuss dann empfehlen wird. Moderate wollen nur eine Anklage wegen dem Ukraine-Telefonat und vielleicht ein oder zwei weitere Anklagepunkte wie Behinderung der Justiz als Sammelkategorien für verschiedene Vergehen. Die lassen sich öffentlich einfacher erklären, so die taktische Begründung. Parteilinke wollen auch weitere Anklagepunkte, die den breiten Umfang der vielen Verbrechen Trumps deutlich macht, etwa einen nach der »emoluments clause« wegen Bereicherung im Amt.

Nach der Abstimmung im Repräsentantenhaus zur offiziellen Amtsenthebung wird das Amtsenthebungsverfahren vermutlich im Senat scheitern, wie 1999 bei Bill Clinton, auch wenn das nicht ganz sicher ist. Weil Trump vermutlich nicht wie Nixon schon vor einer Abstimmung zur Amtsentfernung zurücktreten wird, bliebe die offizielle politische Verurteilung durch das US-Repräsentantenhaus entlang von Parteilinien. Die Wähler müssten dann im November 2020 ihr Urteil fällen.

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