Diesmal soll es klappen mit Olympia

Mindestens Siebte wollen die DHB-Frauen bei der Handball-WM in Japan werden.

  • Michael Wilkening
  • Lesedauer: 4 Min.

Im Sport zählt zu den oft gehörten und als richtig erwiesenen Weisheiten, dass es hilft, sich immer nur auf die direkt vor einem liegende Aufgabe zu konzentrieren. Daran versuchen sich gerade die deutschen Handballerinnen, die im Südwesten Japans, in der Präfektur Kumamoto, an diesem Samstag in die Weltmeisterschaft starten. Im Duell gegen Brasilien sind die Schützlinge von Henk Groener gleich zum Auftakt gefordert und benötigen einen Sieg, um gute Chancen auf den Einzug in die Hauptrunde zu wahren. Mannschaft und Trainer sind voll auf den WM-Auftakt fokussiert, während der Verband schon weiter denkt. Ein gutes Abschneiden in Kumamoto soll die Möglichkeit aufrecht erhalten, im nächsten Sommer ins 900 Kilometer östliche Tokio reisen zu dürfen.

Wie es um den Stellenwert der Handballerinnen in Deutschland bestellt ist, zeigt die Vergabe der Übertragungsrechte im Land des größten nationalen Handballverbands der Welt. Die deutschen Partien werden alle live bei sportdeutschland.tv im Internet gestreamt. Das sorgt zumindest für etwas Aufmerksamkeit, aber die Tatsache, dass sich nicht einmal ein Spartensender wie Sport1 für die deutschen Partien interessierte, sorgte beim Deutschen Handballbund (DHB) für Ernüchterung. Und für die Gewissheit, dass sich im kommenden Juli wohl die allerletzte Chance für die kommenden Jahre bieten wird, das Frauenteam auf die große Bühne zu bringen.

»Wir hoffen, dass die Aussicht auf Olympische Spiele für eine Bonus-Motivation sorgt«, sagt DHB-Sportvorstand Axel Kromer. Sollte sich das deutsche Team für die Spiele im nächsten Jahr in Tokio qualifizieren, wären Übertragungen in den öffentlich-rechtlichen Sendern garantiert, die Handballerinnen könnten sich einer breiten Masse präsentieren. Letztmals gab es diese Möglichkeit im Jahr 2008 in Peking, danach verpasste der DHB mit den Frauen zweimal die Olympischen Spiele. »Natürlich wäre das eine große Chance für uns«, erklärt Kromer die Sehnsüchte der Funktionäre. Immerhin können sich Kromer und der Rest der DHB-Spitze darauf verlassen, dass die Spielerinnen in Kumamoto alles versuchen werden, denn die Teilnahme an den Olympischen Spielen ist nicht nur für Co-Kapitänin Julia Behnke »ein Traum«.

An ein drittes Scheitern hintereinander wollen die Verantwortlichen im Verband deshalb noch nicht denken, weshalb das teaminterne und das von außen vorgegebene Ziel für die WM im Süden Japans identisch sind. Der siebte Platz ist die Vorgabe, denn er bedeutet die verbindliche Teilnahme an einem Olympiaqualifikationsturnier im kommenden Frühjahr.

Der Weg dorthin wird für Groener und sein junges Team beschwerlich, denn die Deutschen haben zweifellos die schwerste von vier Vorrundengruppen erwischt. Nach dem Auftakt gegen Südamerikameister Brasilien und dem Duell gegen Außenseiter Australien geht es gegen Dänemark, die Weltmeisterinnen aus Frankreich und Asienmeister Südkorea. Nur die besten drei Mannschaften qualifizieren sich für die Hauptrunde und wahren somit die Chance auf die Olympischen Spiele.

»Wir haben sicher die schwerste Gruppe mit starken Gegnerinnen erwischt, aber die Teams in der Vorrunde werden sich auch vor uns fürchten«, sagt der Niederländer Groener, der mit seiner Heimat 2015 Vizeweltmeister wurde und seit knapp 20 Monaten nun versucht, auch Deutschland zurück an die Weltspitze zu führen. »Die Entwicklung geht vorwärts«, erklärt der Handballlehrer, dessen Arbeit langfristig ausgerichtet ist, parallel dazu aber trotzdem auch kurzfristig Erfolge bringen soll.

Mit Ausnahme von Xenia Smits, die wegen einer Schulteroperation ausfällt, stehen Groener die besten deutschen Spielerinnen zur Verfügung. Weil mit Smits (Metz Handball) und Behnke (Rostow am Don) nur zwei Deutsche bei internationalen Topklubs spielen und die Bundesliga nicht zur internationalen Spitze zählt, baut Groener darauf, mit einem starken Kollektiv punkten zu können. »Unser Plus ist die Ausgeglichenheit, wir werden alle 16 Spielerinnen brauchen«, sagt der Niederländer. Dennoch baut er vor allem auf Torhüterin Dinah Eckerle, Behnke am Kreis sowie die Rückraumachse Kim Naidzinavicius, Alicia Stolle und Emily Bölk. »Wir werden ein Stammteam haben, aber bei so vielen Spielen in kurzer Zeit auch viel wechseln müssen«, erklärt der Bundestrainer. Am Ende sollen es möglichst viele Partien werden. Um mindestens Siebter zu werden, müssten die Deutschen neun Partien in 14 Tagen absolvieren - es wird also anstrengend, die Hoffnung auf Tokio 2020 aufrecht zu erhalten.

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