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»Gute Inhalte« oder GroKo-Ausstieg

Am Sonntagabend ging es im Fernsehen um die Zukunft der GroKo - LINKE-Politiker Oskar Lafontaine hat dazu eine klare Meinung

  • Lesedauer: 5 Min.

Die künftigen SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans wollen ihrer Partei keinen sofortigen Ausstieg aus der großen Koalition empfehlen. Das Verlassen der Koalition sei kein »Selbstzweck«, in erster Linie gehe es der SPD um »gute Inhalte«, sagte Esken am Sonntagabend in der ARD. Ähnlich äußerte sich Walter-Borjans: Es gehe nun nicht um die Entscheidung »Groko - ja oder nein«, auch wenn er die große Koalition nicht für »die richtige Kombination auf Dauer« halte.

Auch Juso-Chef Kevin Kühnert, einer der einflussreichsten Groko-Gegner in der SPD, warnte vor vorschnellen Entscheidungen. »Einfach nur 'raus, raus, raus' zu sagen löst kein Problem«, sagte er am Abend im ZDF. Die Jusos wollten der neuen Parteispitze keine »Schrittfolge« zum Verlassen der Koalition vorschreiben. Kühnert erinnerte an die Tragweite der Entscheidung über die Koalition: Diese werde mehr als 80 Millionen Bürger betreffen, deswegen müsse die SPD »pfleglich« mit dieser Frage umgehen.

Die SPD werde nun zunächst versuchen, auf Grundlage des Koalitionsvertrags mit der Union »neue Vorhaben zu verhandeln«, sagte Esken in der ARD. Dies lasse der Koalitionsvertrag ausdrücklich zu. Als Beispiele nannte sie strengere Klimaschutzmaßnahmen und mehr öffentliche Investitionen. Die beiden designierten Parteichefs machten deutlich, dass sie auf dem bevorstehenden SPD-Parteitag noch keine Grundsatzentscheidung über die Fortsetzung der Koalition herbeiführen wollen.

Der Parteitag solle vielmehr debattieren, »wie wir an die Union herantreten, um solche Veränderungen am Koalitionsvertrag herbeizuführen«, sagte Esken. Selbst wenn die Union bei ihrer Ablehnung einer Neuverhandlung des Koalitionsvertrags bleibe, bedeute dies noch nicht das Aus für die Koalition auf dem Parteitag.

»Das muss nicht heißen, dass wir beim Parteitag diesen Beschluss fassen«, sagte Esken. »Sondern es ist möglich, dass der Parteitag uns ein Mandat gibt, uns mit diesen Fragen zu beschäftigen und anschließend als Parteivorstand eine Entscheidung zu treffen.«

Walter-Borjans dagegen betonte am Sonntagabend, dass sich die SPD unter der neuen Führung bei dieser Entscheidung von inhaltlichen Erwägungen leiten lassen wolle. Zwar stehe er der Koalition kritisch gegenüber, sagte Walter-Borjans. »Aber wir sind drin, und wir müssen auf dieser Grundlage jetzt sagen, was zu tun ist«, sagte er. »Wenn dann eine Blockadehaltung da ist des Koalitionspartners, dann muss man die Entscheidung treffen, dass es nicht weitergeht.«

»Wenn die SPD mit dieser Union noch länger zusammenarbeitet, wird sich ihr Niedergang fortsetzen«, sagte unterdessen LINKEN-Politiker Oskar Lafontaine dem »Spiegel«. Er hoffe, dass es der neuen Parteispitze gelinge, »die SPD wieder auf eine Politik zu verpflichten, in deren Mittelpunkt soziale Gerechtigkeit und Frieden stehen«.

Die SPD müsse »jetzt mit dem Neoliberalismus brechen«, forderte Lafontaine im »Spiegel«. Die Bundestagsabgeordnete Esken und der frühere nordrhein-westfälische Finanzminister Walter-Borjans hätten als neue Parteichefs »eine Chance, weil sie nicht mit dem Sozialabbau und den Fehlentscheidungen der vergangenen Jahre verbunden sind«. Lafontaine war lange einer der prominentesten Vertreter des linken Flügels der SPD. In den 90er Jahren war er Parteichef und Bundesfinanzminister. Aus Protest gegen den Kurs des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder legte er 1999 seine Ämter nieder. Später trat er aus der Partei aus und wurde Fraktions- und Parteivorsitzender der Linkspartei.

Unterstützung für Olaf Scholz

Esken und Norbert Walter-Borjans wollen auch, dass Bundesfinanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz seine Ämter behält. Sie hoffe sehr, »dass wir auf die wertvolle Arbeit von Herrn Scholz nicht verzichten müssen«, sagte Esken am Sonntagabend in der ARD-Sendung »Anne Will«. »Wir haben bereits gestern Abend von ihm gehört, dass er sowohl uns unterstützen, als auch sich jetzt nicht zurückziehen wolle«, fügte sie hinzu.

Auch Walter-Borjans beantwortete, die Frage, ob der im Rennen um die Parteispitze unterlegene Scholz im Amt bleiben könne, mit Ja. Insbesondere sei er nicht angetreten, um Scholz als Bundesfinanzminister zu beerben, betonte der ehemalige Finanzminister von Nordrhein-Westfalen.

Zugleich wiesen beide Politiker den Eindruck zurück, Scholz sei durch das Ergebnis der Mitgliederbefragung zum künftigen SPD-Vorsitz stark angeschlagen. Der Minister war mit der Brandenburger Landespolitikerin Klara Geywitz angetreten: Das Duo unterlag dem Team Esken und Walter-Borjans in der Stichwahl mit 45 zu 53 Prozent. Eine Beschädigung von Scholz sehe er dadurch nicht, sagte Walter-Borjans.

Esken verwies darauf, dass immerhin »etwas unter 100.000« SPD-Mitglieder dem Team Scholz/Geywitz ihre Stimme gegeben hätten. Dies sei »kein Ergebnis, durch das der Vizekanzler beschädigt ist«. Scholz hat sich zu seiner Zukunft bisher nicht öffentlich geäußert. Die Zeitungen der Funke Mediengruppe berichteten am Sonntag unter Berufung auf sein Umfeld, der Politiker wolle seine Ämter behalten.

Eine »neue Situation«?

Walter-Borjans und Esken wiederholten in der ARD-Sendung ihre Forderung nach neuen Verhandlungen mit der Union über die weiteren Projekte der großen Koalition. Esken begründete dies damit, dass sich seit Abschluss der Koalitionsverhandlungen »eine andere Situation« ergeben habe. So müsse etwa auf die sich abkühlende Konjunktur und die drängender gewordene Klimaproblematik geantwortet werden.

»Man muss sich unterhalten«, verlangte Esken von der Union. Dann müsse geschaut werden, welche Ergebnisse sich erzielen ließen, und wie es dann weitergehe. Walter-Borjans betonte, Esken und er wollten dem Parteitag nicht vorgeben, ob die GroKo fortgesetzt oder beendet werden solle.

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Aus der CSU kam am Sonntagabend Ablehnung in der GroKo-Frage. Der CSU-Vorsitzende Markus Söder erklärte: »Bloß weil ein Parteivorsitzender wechselt, verhandelt man keinen Koalitionsvertrag neu«, sagte der bayerische Ministerpräsident am Sonntagabend im ZDF-»heute journal«. In einer Koalition sei es selbstverständlich, dass man miteinander rede. Es werde aber nicht einfach neu verhandelt. Und schon gar nicht würden Forderungen diskutiert, »die rein ideologisch motiviert sind und die dazu dienen, einen Wahlkampf abzufedern«.

Der Parteitag von kommenden Freitag bis Sonntag in Berlin soll Walter-Borjans und Esken formal ins Amt heben und die weiteren Mitglieder der Parteispitze wählen. Der weitere Umgang mit der GroKo wird ein zentrales Thema des Delegiertentreffens sein. Agenturen/nd

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