Rückfall in alte Zeiten

Ich klage an

  • Hans Coppi
  • Lesedauer: 3 Min.

Das kann doch nicht wahr sein!« Das war meine erste Reaktion auf die Aberkennung der Gemeinnützigkeit der VVN-BdA. In den letzten 20 Jahren ist diese immerhin nicht mehr in den Berichten des Verfassungsschutzes des Bundes und der Länder erwähnt worden, ausgenommen Bayern. Das Finanzamt I für Körperschaften in Berlin übernimmt die aktuelle bayerische Einschätzung, wonach die VVN-BdA als »bundesweit größte linksextremistisch beeinflusste Organisation« diffamiert wird. Ich habe jahrelang im Vorstand mitgearbeitet und war Vorsitzender der Berliner VVN - »Linksextremisten« bin ich bei uns noch nie begegnet. Diese Behauptung schwirrt jedoch jetzt durch die Medien. Die »Pannen« des Verfassungsschutzes und dessen verständnisvoller Umgang mit Rechtsextremismus gelten hingegen als Kavaliersdelikte.

Das Finanzamt Oberhausen-Süd hat der nordrhein-westfälischen Landesvereinigung der VVN-BdA im Oktober die Gemeinnützigkeit gewährt, obwohl auch dort ein Vorwurf wie in Bayern und Berlin erhoben worden ist. Während die dortigen Beamten der Widerrede der Verfolgten des Naziregimes und Antifaschisten im Anhörungsverfahren entsprachen, ließ sich das Berliner Finanzamt bisher nicht überzeugen.

Das erinnert mich an finstere Zeiten des Kalten Krieges, als aktive Antifaschisten, die Zuchthäuser und Konzentrationslager überlebt hatten, wegen ihres Engagements gegen die Wiederaufrüstung und für eine Volksabstimmung über das Verbot von Atomwaffen in Westdeutschland ins Visier des Verfassungsschutzes gerieten und zu Haftstrafen verurteilt wurden. Will man diese Tradition wiederbeleben?

Skandal!
Charles Melis klagt an

Ich empfinde den Entscheid der Finanzbehörde als Affront gegenüber den Verfolgten des Naziregimes, derer am 27. Januar und am 20. Juli jedes Jahres gedacht wird. Bundeskanzlerin Angela Merkel würdigte am 20. Juli dieses Jahres zum ersten Mal den Widerstand gegen den Hitlerfaschismus in aller Breite und Vielfalt, nannte eine Reihe von Widerstandsgruppen, darunter auch kommunistische wie die Rote Kapelle. Als ich ihre Rede vernahm, waren meine Gedanken bei meinen Eltern Hilde und Hans Coppi. Zehn Wochen nach ihrer Festnahme kam ich Ende November 1942 im Berliner Frauengefängnis zur Welt. Mein Vater wurde kurz darauf, am 22. Dezember 1942, in Berlin-Plötzensee ermordet, meine Mutter ebenfalls dort am 5. August 1943.

Ich erwarte, dass der Bundesvereinigung VVN-BdA die Gemeinnützigkeit wieder zuerkannt wird. Sehr erfreut bin ich über die große Solidarisierung. Bisher haben sich über 16 000 Bürger unserer Petition »die-vvn-bda-muss-gemeinnuetzig-bleiben« angeschlossen. Bis Ende des Jahres werden noch 9000 Unterschriften benötigt, damit wir den Petitionsausschuss des Bundestages anrufen können. Erfreulich auch: Mehr als 500 Frauen und Männer sind in den letzten Wochen der VVN-BdA beigetreten. Danke!

Dr. Hans Coppi, Historiker, ist Ehrenvorsitzender der VVN-BdA Berlin.

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