Immer irgendwie durchkommen

Volleyballer Benjamin Patch ist endlich auf dem Niveau, das die BR Volleys von ihm erwarten

Als Vital Heynen im Sommer 2015 die deutschen Volleyballer auf die EM vorbereitete, stellte der damalige Bundestrainer seinem Team eine besondere Aufgabe: Ein entscheidender Satz wurde simuliert, die Stamm-Sechs musste die letzten fünf Punkte in Serie erzielen, doch nur Georg Grozer durfte punkten. Schaffte er es nicht, ging es wieder von null los. Auch die Gegner kannten die Vorgabe, stellten Block und Abwehr nur auf Grozer ein. Der Diagonalangreifer sollte trotzdem immer irgendwie durchkommen. Bis die Aufgabe geschafft war, verging eine halbe Stunde. Doch Heynen wusste: In wichtigen, engen, umkämpften Situationen müssen sich das Team, der Trainer und vor allem Grozer selbst auf den wichtigsten Angreifer verlassen können.

Spieler wie Georg Grozer gibt es in jedem Volleyballteam. Keinen von seiner Qualität, aber doch einen, der im Zweifel irgendwie durchkommen muss. Beim deutschen Meister BR Volleys ist das Benjamin Patch. Der 25-jährige US-Amerikaner galt im Sommer 2018 als Königstransfer der Berliner. Er hatte bereits den Sprung ins Nationalteam geschafft und bestach mit einer unfassbaren Sprunghöhe. Doch bei den Volleys konnte er sich lange nicht durchsetzen. Wurde Patch eingesetzt, war sein Spiel zu fehlerhaft, um dominant zu sein. Es brauchte einen Kaisertransfer, um das zu ändern: Der russische Olympiasieger Sergej Grankin kam im folgenden Winter, und seitdem spielt Patch besser, in dieser Saison blüht er sogar richtig auf. Bestes Beispiel war der 3:0-Erfolg der Volleys gegen ACH Ljubljana am Dienstagaband zum Auftakt in die neue Champions-League-Saison.

Speziell der erste Satz war das beste, was Patch in Berlin bislang geboten hat. Fast jeder Angriff wurde zum direkten Punkt. Egal, ob aus dem Hinterfeld oder direkt am Netz, egal ob der Pass gut stand oder sich ein Block gegen ihn formiert hatte. Patch fand die Lücken oder schlug einfach über die ausgestreckten Arme von Zwei-Meter-Hünen hinweg. Die Berliner gewannen den Satz mit 25:21. Elf Punkte davon hatte Patch erzielt. »Ben ist in großartiger Form. Er wird immer selbstbewusster, weiß ganz genau, wozu er fähig ist. Seine Statistiken in allen Kategorien sind überragend, das war ein exzellentes Match«, lobte sein Trainer Cedric Enard. Patch spiele derzeit, ohne zu viel darüber nachzudenken. So kommt er immer irgendwie durch.

Den zweiten Satz gewannen die Volleys sogar mit 25:15. Die Slowenen hatten ihre Abwehr mittlerweile auf den Amerikaner konzentriert, doch Grankin setzte nun die anderen Angreifer ein, für die Patch quasi die Tore geöffnet hatte. »Das war die hohe Kunst des Volleyballs«, schwärmte Manager Kaweh Niroomand später.

Auch der dritte Durchgang schien zunächst eine klare Sache zu werden, doch Ljubljana machte fünf Punkte in Serie zum 11:12. Patchs Kollegen kamen nicht mehr durch. Also suchte Grankin wieder nach dem Mann, auf den sich das Team verlässt. Vier Anspiele in Serie bekam Patch, dreimal machte er direkt einen Punkt daraus. Cedric Enard gefiel das sehr: »Wenn es darauf ankommt, muss der Diagonalangreifer da sein. Das ist seine Rolle, und der Zuspieler muss Vertrauen in ihn haben. Daher freut sich Sergej Grankin sicher besonders über Bens starken Auftritt«, so Enard.

Patch hielt die Berliner vorn, der Satz endete schließlich 26:24, der Auftakt in die Champions League war gelungen, und Patch wurde zum besten Akteur des Spiels gewählt. »Keine Ahnung, ob das mein bestes Spiel hier in Berlin war«, wusste er selbst den Abend noch nicht recht einzuschätzen. »Selbst wenn, will ich daran nicht zu lange festhalten, denn dann werde ich nicht besser.«

Patch hat offenbar eine gute Trainingseinstellung gefunden. Im Sommer hat er beim Nationalteam seinen Aufschlag von langsamen Flatter- auf schnelle Sprungaufgaben umgestellt. »Jeder Volleyballer hat ein Element, das er verbessern muss. Bei mir war es der Aufschlag, also habe ich hart daran gearbeitet«, erzählte Patch. Und Enard bestärkte ihn: »Ein Flatteraufschlag hat bei ihm keinen Sinn. Ein Mann mit seiner Sprungkraft, muss Sprungaufschläge machen.«

Die Sprunghöhe ist die größte Stärke des Amerikaners, und die spielt er nun auch im Aufschlag aus. 3,82 Meter Abschlagshöhe hat man bei ihm einmal gemessen. Das sind fast eineinhalb Meter über der Netzkante! »Er ist einer der wenigen Spieler dieser Welt, die wirklich hoch springen. Ich meine wirklich hoch«, sagte Enard. »Aber es braucht einen Zuspieler wie Grankin, das zu nutzen. Er spielt ihn mit gutem Timing an, aber vor allem in der perfekten Höhe. Auch deswegen ist Ben gerade so erfolgreich.«

Patch selbst sieht das ganz ähnlich: »Sergej ist so gut, da ist es schwer, neben ihm nicht selbst gut auszusehen. Er macht es einem wirklich einfach.« Zuspieler Grankin dürfte dasselbe gerade über seinen Angriffspartner denken.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal