Das Schweigen der Würdenträger

Christoph Ruf über Repression gegen Fußballfans, die gegen einen AfD-Politiker protestiert haben

Ob Dubravko Mandic ein Nazi ist, ist nicht ganz so leicht zu beantworten wie die Frage nach der Konfession des Papstes. Aber lange überlegen muss man auch nicht. Der AfD-Politiker, der in Freiburg im Stadtrat sitzt, steht so weit rechts, dass sich Partei-Promis wie Jörg Meuthen, die sich selbst als gemäßigt bezeichnen, gerade wieder von ihm distanzieren. »Wir werden sie aus ihren Redaktionsstuben vertreiben«, brüllte Mandic jüngst vor dem SWR in Baden-Baden. »Das ist erst der Anfang des Sturms.«

Wer so formuliert, hat als rhetorisches Vorbild nicht Frank-Walter Steinmeier, sondern eher Joseph Goebbels, der einmal sagte: »Mit ihm zusammen müssen auch etwa 870.000 Kollaborateure aus den Ministerien, Fernsehstudios, Lehrkörpern, Sozialämtern und Gewerkschaften entsorgt werden. Endlich wird in Deutschland aufgeräumt.« Okay, war nicht Goebbels, sondern auch Mandic. Und statt »ihm« hat er »Merkel« gesagt.

2018 wurde Mandic zu einer Geldstrafe von 9000 Euro verurteilt, weil er bei einem Foto vom Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozess die Köpfe von Hermann Göring und Rudolf Heß durch die von Merkel und Joachim Gauck ersetzt hatte. In einem anderen Fall droht ihm eine Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen schwerer Körperverletzung.

Umso erfreulicher, dass es in Freiburg viele tausend Menschen gibt, die den Herren unerträglich finden. Es gibt immer wieder Demos gegen die AfD, die Bereitschaft, sich mit Zuwanderern zu solidarisieren, ist hoch. Und das trotz eines Mordes und einer Gruppenvergewaltigung, die anderswo Wasser auf die Mühlen der großen Vereinfacher wären.

Man stelle sich nun vor, ein allgemein halbwegs respektierter Politiker, Kirchenfürst, Wissenschaftler oder Literat käme nach Freiburg, würde sich ein Fußballspiel des dortigen Erstligisten anschauen und mitbekommen, dass die dortige Fanszene gegen den Besuch des Spiels durch die AfD-Ratsfraktion protestiert.

Er würde sich unter Garantie lobend äußern, die Zivilcourage loben, die Bereitschaft, demokratische Werte zu verteidigen. Man kennt diese Sätze und nickt beim Nicken ein. Was blöd ist, denn auch der Staat und die Freunde der billigen Gegen-Rechts-Bekenntnisse müssen sich fragen lassen, wie ernst ihnen ihre eigenen Worte sind.

»Wer Fußball nicht liebt, soll Freiburg verlassen! Mandic abschieben!«, stand damals auf einem Transparent der Freiburger Fans. Das war juristisch nicht zu beanstanden. Das Plakat »Mandic, du Nazi, verpiss dich« kann aber offenbar als Beleidigung gelesen werden. Zumindest von einer so zart besaiteten Figur wie ebenjenem Mandic, der die Justiz anrief. Dass die Freiburger Polizei daraufhin aktiv werden musste, ist klar. Das kann man ihr nicht vorwerfen. Wie sie das gemacht hat, hingegen schon.

Gleich bei zwei Spielen führten Beamte wegen des »Nazi«-Plakats Maßnahmen gegen SC-Fans durch - im Dezember mit Hilfe einer Spezialeinheit. Die Fans schildern die Situation wie folgt: »Ohne Vorwarnung und aus der Dunkelheit kommend stürmte eine Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit aggressiv in die wartenden Fans hinein, um einen Fan von der Gruppe zu separieren. Gleichzeitig wurden die restlichen Fans von etlichen Einsatzkräften der Bereitschaftspolizei eingekesselt. Teile der Polizisten hatten dabei ihre Schlagstöcke gezückt und im Ansatz zum Schlag gehalten (..). Obwohl sich alle Fans zu keiner Zeit aggressiv verhalten hatten, versuchte die Polizei erfolglos, die Situation zu eskalieren (..). Auf der Stadionwache wurde dem betroffenen Fan berichtet, dass er der Beleidigung verdächtigt werde - womit es sich um das Zeigen eines Spruchbandes gegen den rechtsextremen Stadtrat Mandic handelt. Da nach Sicht der Freiburger Polizei für die Ermittlungen wegen einer Beleidigung eine einfache Personalienaufnahme nicht auszureichen scheint, musste er sich dem gleichen Prozedere unterziehen, wie bereits vor knapp drei Monaten ein minderjähriger Fan im gleichen Fall: eine Körperkontrolle mit Griff und Blick in den Genitalbereich.«

Diese Stellungnahme ist seit drei Wochen auf der Internetseite der Fans öffentlich zugänglich, ihr Wahrheitsgehalt wird von vielen Zeugen bestätigt. Von den Würdenträgern aus der Politik, die sich sonntags sonst ja häufig so gerne wohlfeil gegen die AfD positionieren, hat hierzu bislang niemand Stellung genommen. Natürlich nicht.

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