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Wochenmarkt statt Dumping global

Die Linksfraktion widmet sich in ihrem »Aktionsplan Klimagerechtigkeit« auch der Agrar- und Ernährungspolitik

Die Linksfraktion im Bundestag hat jetzt ein eigenes Konzept zum Erreichen der nötigen Ziele in Sachen Klimaschutz. Nicht weniger als ein Gegenentwurf zum Klimapaket der Bundesregierung soll der am 10. Januar auf der Fraktionsklausur in Rheinsberg beschlossene »Aktionsplan Klimagerechtigkeit« sein. Dem Bereich Ernährung und Landwirtschaft sind acht der 80 Seiten des Papiers gewidmet. Über die im Kapitel »Vom Weltmarkt zum Wochenmarkt« enthaltenen Ziele und Forderungen informierte die Fraktion Ende vergangener Woche auch bei Bauernprotesten und auf der »Wir haben es satt«-Demo am Samstag in Berlin.

Dass die LINKE im Parlament Lebensmittelsektor und Landwirtschaft zusammen betrachtet, unterscheidet sie von den meisten anderen Parteien. Dabei ist angesichts der Verflechtung von Landwirtschaft, Agrarhandel, verarbeitender Industrie und Einzelhandelskonzernen nichts naheliegender. Zumal der Anteil der Hersteller von Düngemitteln, Pestiziden, Maschinen und Anlagen einerseits und Verarbeitungsindustrie, Transport und Handel andererseits an den Treibhausgasemissionen erheblich größer ist als der der Landwirtschaft selbst. Während letztere hierzulande Schätzungen zufolge für acht Prozent der Emissionen verantwortlich gemacht wird, verursachen Lebensmittelherstellung und -transport insgesamt bis zu 40 Prozent des Treibhausgasausstoßes.

Leitbild der LINKEN ist laut Aktionsplan »eine Landwirtschaft und Ernährung, die die Versorgung sichert statt maximale Profite der Konzerne, mit der Landwirt*innen von ihrer Arbeit gut leben und gute Ernährung für alle bezahlbar ist«. Die Fraktion setzt sich für einen »Wechsel zu einem kooperativen Wirtschaftssystem mit regionaler Produktion, Verarbeitung und Vermarktung« ein und fordert eine »Umstellung der EU-Agrarsubventionen auf eine sozial-ökologische Förderpolitik, eine flächengebundene Tierhaltung und umgerechnet maximal 1,5 Großvieheinheiten je Hektar auf Landkreisebene bis 2030«. Eine Großvieheinheit (GV) entspricht in etwa einer Milchkuh oder acht Mastschweinen.

In Ostdeutschland werden in den meisten Regionen gerade mal 0,5 GV je Hektar gehalten, obwohl die einzelnen tierhaltenden Betriebe weitaus größer sind als im Westen. Dies hat einerseits mit dem Strukturbruch 1990 zu tun, andererseits haben besonders viele Landwirte in den letzten Jahren aufgrund von geringen Preisen und Futtermangel infolge der Dürre die Tierhaltung ganz eingestellt. Dagegen kommen Regionen in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen oder Bayern, in denen es viele Schweinehalter gibt, auf deutlich mehr als drei GV je Hektar.

Bislang, moniert die LINKE, orientiere die Agrarpolitik der EU und Deutschlands die Landwirtschaft auf die Produktion möglichst billiger Waren für einen »ökologisch und sozial blinden Weltmarkt«. Diesen Konkurrenzkampf überlebe man »nur mit maximalen Erträgen in der Tierhaltung und im Anbau durch übermäßigen Dünge- und Pflanzenschutzmitteleinsatz«, »auf Kosten von Mensch und Natur«, heißt es in einem aktuellen Flyer der Fraktion zu »klimagerechter Landwirtschaft«.

Den Wandel im Ernährungssektor will die LINKE unter anderem durch eine »gemeinwohlorientierte Reform des Kartellrechts« erreichen, mit der »Konzernmacht reguliert und zurückgedrängt« werden soll.

Weiter möchte sie regionale Verarbeitung und Vermarktung jährlich mit 20 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt fördern. So könnten Stoffkreisläufe wieder hergestellt bzw. besser geschlossen, Transportwege minimiert und kulturelle sowie ökologische Aspekte des Landschaftsschutzes besser unterstützt werden.

Ein Lieferkettengesetz, meint die LINKE, müsse für »faire Risiko- und Gewinnverteilung« auf alle Bereiche der Erzeugung sorgen. Derzeit schöpften Schlachtbetriebe, Lebensmittel- und Handelskonzerne hierzulande 86 Prozent der Wertschöpfung ab. Aus Klimaschutzmaßnahmen im Agrarsektor resultierende »soziale Verwerfungen« will die LINKE »abfedern«. So soll eine Reduzierung der Viehbestände über ein »soziales Umstiegsprogramm für Nutztierhaltende« erreicht werden. Bis 2030 will die LINKE den Import von Soja verbieten und zugleich mit einer »Futtermittelstrategie« die Selbstversorgung sichern.

Der Aktionsplan enthält sowohl recht utopische als auch Forderungen, die eine grundsätzliche Akzeptanz des globalen Handels mit Nahrungsmitteln zeigen. So verlangt die LINKE zwar einen Stopp des EU-Mercosur-Abkommens und eine »Abkehr vom Weltmarktdruck für agrarische Produkte«. Zugleich meint sie, es reiche, internationale Handelsverträge künftig »konsequent an Klimaschutzzielen und fairen Arbeitsbedingungen« auszurichten.

Faire Erzeugerpreise im Land auch durch Importbeschränkungen zu sichern, davon hält die agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Kirsten Tackmann, weniger. Dabei ist die Bundesrepublik nicht nur Exporteur, sondern auch drittgrößter Importeur von Lebensmitteln. Verarbeiter und Einzelhandelsriesen nutzen Einfuhren gezielt, um die Preise im Inland erzeugter Produkte niedrig zu halten. Landwirte fordern deshalb, dass die Standards, die sie bei ihrer Arbeit einhalten müssen, auch für importierte Lebensmittel gelten müssten. Tackmann ist jedoch skeptisch, weil neuerdings auch die FDP »den Zugang zu unserem Markt abriegeln« will »Andererseits wäre es nur konsequent, keine Produkte zu importieren, die nach Standards produziert werden, die hierzulande verboten sind«, erklärte die Agrarexpertin gegenüber »nd«.

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