Rumgiften ist unwürdig

Simone Schmollack über die sogenannte Stutenbissigkeit und Frauensolidarität

  • Simone Schmollack
  • Lesedauer: 3 Min.

Neulich wurde ich Zeugin eines Gesprächs zwischen zwei Frauen. Ich wollte nicht zuhören. Aber im Zug, wenn die eine Gesprächspartnerin direkt neben einer sitzt, ist das schier unvermeidlich. Die Frau schnappte sich, gleich nachdem sie ihren Laptop aufgeklappt hatte, ihr Handy und rief eine andere Frau an. Offenbar eine Kollegin. Ich hörte also mit an, wie sie die Frau auf der anderen Seite versuchte fertigzumachen. Die wollte gegenhalten, es war ein unerbittlicher, zuweilen merkwürdig subtiler Kampf. Der mit scheinbar sachlichen Ansagen über irgendein Projekt begann und in persönlichen Angriffen mündete. Da flogen Sätze durch den Waggon wie »Du gönnst mir offenbar gar nichts.«, »Warum bist du immer so übereifrig?« und »Ich hab’ doch gesagt, ich mach das. Warum mischst du dich da ein?«

Ich rutschte auf meinem Platz hin und her. Mir war das unangenehm. Ich kenne das, wenn Frauen gegen Frauen hetzen, wenn sie sticheln und lästern, insbesondere wenn eine beruflich erfolgreicher ist oder bei Kolleg*innen, Freunden, bei wem auch immer scheinbar besser ankommt. Oder wenn sie schlicht und einfach besser ist. Das kommt durchaus vor in der Frauenberufswelt. Aber gerade dann kriechen in so mancher »Konkurrentin« unangenehme Gefühle hoch und sie versucht, die andere bloß zu stellen, ihr zu schaden, wo es nur geht, am besten öffentlich. Um keinen Preis der anderen den Erfolg gönnen. Für solch ein Verhalten gibt es einen Begriff: Stutenbissigkeit.

Ich kann das Wort nicht leiden, weil es suggeriert, dass das ein ausschließliches Frauenproblem sei. Ist es natürlich nicht. Männer können das zuweilen sogar um Längen besser, nicht wenige praktizieren es mit schwindelerregenden Topergebnissen. Schließlich haben sie es genau so gelernt. In den vergangenen Jahrhunderten sind sie in dem Spin erzogen worden, Konkurrent*innen so bald als möglich auszuschalten, wollen sie es selbst »zu etwas bringen«.

Aber die Zeiten ändern sich und die Zahl jener Männer wächst, die - mit Kolleg*innen, männlichen wie weiblichen, mit Freunden, in der Familie - auf Augenhöhe, fair, ehrlich leben wollen und das auch tun. Der »moderne Mann« hat es gar nicht (mehr) nötig, sich sinnlos zu verbeißen. Und: Er kann auch mal einstecken und darüber lachen.

Von diesen »profeministischen Männern« können Frauen einiges lernen: sich nicht hintenrum und fies duellieren, sondern offen mit Problemen umgehen. Der Ehrlichkeit halber sei hinzugefügt, dass »toxische« Männer, die es natürlich noch zuhauf gibt, dieses Hintenrum in formvollendeter Perfektion beherrschen, vor allem wenn es gegen Frauen geht. Aber Männer mit vergifteten Seelen sollen ja für niemanden, weder Frauen und Mädchen noch für Jungen und Männer auch nur ansatzweise ein Vorbild sein.

Manchmal scheint es mir aber so, als ob sich manche Frauen, um auf der Karriereleiter nach oben zu steigen, weniger am »modernen Mann« denn am »toxischen Mann« orientieren. Das ist ihnen vielleicht gar nicht mal bewusst, sie machen es, weil sie es auch nicht anders gelernt, sondern eher gehört haben: Wenn du in der Männerwelt bestehen willst, musst du sein wie sie.

Das ist natürlich fatal. Vielleicht können Frauen was von echten Stuten lernen. Die Münchner Pferdeexpertin Doris Semmelmann jedenfalls weiß, dass die Tiere, nachdem sie ein bisschen gerangelt haben, eine friedliche Koexistenz anstreben. Denen ist das gemeinsame Ziel, der Zusammenhalt der Herde, nämlich wichtiger als die persönliche Befindlichkeit.

Der Umgang unter Frauen sollte solidarisch sein. Denn in der noch immer oft von toxischen Männern beherrschten Welt gibt es so viele Ungerechtigkeiten, die sich vor allem gegen Frauen richten. Frauen sollten sich, wenn es denn unbedingt sein muss, darin verbeißen, diese zu beseitigen. Alles andere ist unwürdig.

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