Hufeisentheorie im Praxistest

sieben tage, sieben nächte

Als der Rhein noch durch die eine oder andere hufeisenförmige Schleife mäanderte, hat bei Neupotz alles angefangen, könnte man leichtfertig behaupten. Denn dort, bei dem Örtchen, das zu Rheinland-Pfalz gehört, wurden bisher die ältesten Hufeisen auf deutschem Boden gefunden. Aber schon hakt es mit der Theorie: Knapp drei Jahrhunderte nach Christi Geburt - aus dieser Zeit sollen sie stammen - war an Deutschland noch gar nicht zu denken, und selbst Neupotz wurde erst 1270 urkundlich erwähnt. Vor allem aber waren die Hufeisen, die mit zahlreichen weiteren Metallgegenständen den berühmten Hortfund von Neupotz bilden, höchstwahrscheinlich von den Römern geklaut.

Gesetzt den Fall, die Diebe wussten damals überhaupt etwas mit den Dingern anzufangen, die sie vermutlich selbst noch gar nicht erfunden hatten, konnten sie sich glücklich schätzen. Da Eisen sehr teuer und ein Pferd sehr wertvoll war, die Eisen außerdem die Pferde schützten, was den Menschen zugute kam, waren sie ausgesprochen nützlich. Kein Wunder, dass Hufeisen irgendwann zu Glücksbringern erklärt wurden, so wie vierblättrige Kleeblätter, Schornsteinfeger, Schweinchen und Pfennige. Doch, ach, nach Kleeblättern suchen heute nur noch wenige, den Schornsteinfeger findet ohne Zylinder keiner mehr, dem Schweinchen geht es in der Mastanlage gar nicht gut, der Pfennig heißt Cent und soll womöglich abgeschafft werden. Und beim Hufeisen konnte man sich nicht einmal einigen, wie herum es aufzuhängen sei, um das Maximum an Glück abzugreifen. Von daher sollte auch die Hufeisentheorie in Sachen Glück infrage gestellt werden.

Der einzige Beleg für die darauf aufbauende Theorie, dass das Hufeisen wegen seiner Form gar Zauberkraft besitze, ist der, dass ihr einst Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping erlag. Allerdings zeigten bei ihm, zum Glück mit weniger dramatischen Folgen, Mallorca-Kurztrips und Pool-Vergnügen die gleiche Wirkung, was darauf schließen lässt, dass entweder nicht nur den Pferdeabsätzen ein Zauber innewohnt - oder auch mit dieser Theorie etwas nicht stimmt.

Hufeisen taugen einfach nicht für Theorien. Diejenigen, die eine solche mehr oder weniger explizit bemühen, behaupten, sie selbst seien die Mitte, sind aber tatsächlich so gespalten wie das Körperteil, das beim ausgewachsenen Hauspferd gut eineinhalb Meter über den Hinterhufen zu finden ist und im Sommer durch Wedeln des Schweifs von Fliegen befreit werden muss. Womit wir auch bei unserem Schwerpunkt dieser Woche wären (Seite 4). In der Mitte des Hufeisens ist in Wirklichkeit ein Metallstab, und das auch nur, wenn man richtig gezielt hat. Das kann man sich in der Praxis bei der Deutschen Meisterschaft im Hufeisenwerfen anschauen, die dieses Jahr am 5. und 6. September in Mannheim stattfindet.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal