Werbung

Ende der Erfolgsstory?

Die AfD macht für ihr Wahlergebnis in Hamburg angebliche Stimmungsmache der anderen Parteien verantwortlich

Nach der 18-Uhr-Prognose am Sonntagabend brach auf den Wahlpartys der demokratischen Parteien Jubel aus, »Nazis raus!«-Sprechchöre wurden angestimmt, Menschen lagen sich in den Armen. Und auch in den Sozialen Medien war man euphorisch - und das hatte einen Grund: Die AfD lag bei den Hamburger Bürgerschaftswahlen unter der magischen Fünfprozenthürde. Der Freude ist noch am späteren Wahlabend die Ernüchterung gewichen: Die Rechtspartei kommt inzwischen auf rund 5,3 Prozent der Wählerstimmen - und zieht somit wieder in die Bürgerschaft der Freien Hansestadt ein.

Dem Urnengang waren zwei Ereignisse vorausgegangen, mit denen AfD unmittelbar zu tun gehabt hatte: zum einen das von der Rechtspartei ausgelöste politische Chaos in Thüringen, wo ein bis dahin weitgehend unbekannter FDP-Politiker mit AfD-Stimmen zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. Zum anderen die Bluttat von Hanau, bei der ein Rassist neun Menschen mit Migrationshintergrund in und vor zwei Schisha-Bars getötet hatte. Auf einer Demonstration an diesem Wochenende in der hessischen Stadt wurde ein Banner mit der Aufschrift »AfD hat mitgeschossen« getragen.

Der AfD-Spitzenmann in Hamburg, Dirk Nockemann, beklagte sich bereits vor der Abstimmung über die angebliche Stimmungsmache gegen seine Partei. Die AfD habe bis zur Ministerpräsidentenwahl in Erfurt vor etwa zweieinhalb Wochen konstant bei sieben bis acht Prozent gelegen. »Nach Thüringen ging es dann runter«, sagte Nockemann. Im Wahlkampf habe es »unselige rhetorische Überspitzungen« seitens der anderen Parteien gegenüber der AfD gegeben. »Wir sind in die Nähe eines irrsinnigen Attentäters gerückt worden, dem wir angeblich durch unsere Formulierungen Munition geliefert hätten: Etwas so Wirres, etwas so Verdrehtes und Schändliches uns gegenüber habe ich noch in gar keinem Wahlkampf wahrgenommen«, sagte er. Bereits kurz nach der Tat in Hanau hatten Bundespolitiker versucht, den Attentäter als psychisch krank und unpolitisch darzustellen.

Nach Auffassung der AfD-Funktionäre verbreiteten nicht nur »linksgrün-versiffte« Journalisten der »Systemmedien«, sondern auch der politische Gegner Lügen über ihre Partei und brächten sie dadurch bei Wählern in Misskredit. Doch diese Meinung kann nicht überzeugen. Dass die AfD eine erhebliche Mitschuld an den Morden von Hanau trägt, zeigt ihre Hetze gegen Migranten in Shisha-Bars im Hamburger Wahlkampf. So soll die AfD-Bewerberin Olga Petersen im Stadtteil Steindamm das gesagt haben: »Steindamm ist meine Heimat. Aber die verändert sich leider zum Negativen. Wir haben immer mehr Shisha-Bars, türkische Läden, Dönerbuden hier. Wie viel davon verträgt meine Heimat noch? Mein Gefühl sagt mir, nicht mehr viel.«

Seit Monaten haben AfD-Politiker Shisha-Bars als Orte des Verbrechens ausgeguckt - und das nicht nur in Hamburg. »Razzien in Shisha-Bars! Ergebnis: Drogen, Waffen, Steuervergehen«, postet zum Beispiel die AfD-Politikerin Anne Charlotte Samland aus Mannheim im Netz. Und Dimitri Schulz, Mitglied des Landtages von Hessen, schrieb: »Gruppenvergewaltigung in Shisha-Bar! Mehrere Syrer und Iraner festgenommen«. Man findet von solchen Statements im Internet vermutlich noch unzählige mehr.

Vielleicht geht von Hamburg aber doch ein Signal aus. Denn die Erfolgsstory der Rechten hat mit dem Beinah-Ausscheiden aus der Bürgerschaft Schaden genommen. Die rechte Partei kann aus den Parlamenten gedrängt werden - wenn man ihre Worte als das darstellt, was sie sind: billige Stimmungsmache auf Kosten von Minderheiten.

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal