Bibelfest zum Klassenerhalt

Heiko Herrlich trainiert fortan die Profis des FC Augsburg. Der 48-Jährige schwört auf Respekt und Empathie

  • Maik Rosner, Augsburg
  • Lesedauer: 4 Min.

Als Heiko Herrlich noch Trainer bei Bayer Leverkusen war, hat er immer wieder tiefe Einblicke in seine übergeordneten Einstellungen und Ideale gewährt. Aus ihm sprach dann oft mehr die Privatperson als der Fußballlehrer, manchmal vermischten sich auch seine beiden Lebensbereiche. Etwa, wenn es um seinen Glauben ging, der den Christ in seinem Handeln in Freizeit und Berufsleben leitet und ihm Halt gab, als er im Jahr 2000 an einem bösartigen Hirntumor erkrankte, der erfolgreich therapiert werden konnte.

»Natürlich ist man danach ein anderer Mensch. Kein besserer Mensch, aber es verschiebt sich viel im Leben, Motive verschieben sich«, sagte Herrlich dazu einmal und erzählte von seiner vorherigen Trainerstation bei Jahn Regensburg, dass er dort einen Spieler suspendieren wollte, sich aber auf die Bibel besann. »Ich habe den Spielern aus dem Johannes-Evangelium vorgelesen und gesagt: Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein. Ich habe mich entschieden, dass der Spieler die Mannschaft zweimal zum Essen einladen muss«, sagte er dazu 2017.

An anderer Stelle im Jahr darauf ging es ebenfalls darum, wie er mit seinen Spielern umgeht. Er versuche, jedem Einzelnen jenen Respekt zu zeigen »als wäre es mein eigener Sohn«. Dieser stehe ihm natürlich am nächsten, aber es gelte grundsätzlich: »Respekt ist die Basis von allem. Respekt kann man bekommen, aber auch geben.«

Es ist also ein besonderer Trainer im oft schrillen Bundesligageschäft, den der FC Augsburg am Dienstag als Nachfolger des am Montag freigestellten Martin Schmidt, 52, bis zum 30. Juni 2022 unter Vertrag genommen hat. Empathie, Erdung und Teamgeist hält Herrlich für wesentlich und fordert er auch von seinen Spielern ein. Man sei überzeugt, in dem 48-Jährigen »einen Trainer gefunden zu haben, der optimal zum FCA passt«, wurde Manager Stefan Reuter in der Mitteilung zitiert. Bereits am Sonntagabend um 22.45 Uhr hatte er Herrlich per SMS kontaktiert. Diese sah Herrlich allerdings erst am Montagmorgen, da er stets früh ins Bett gehe, wie er nun erzählte.

Zumindest verkörpert Herrlich mit seiner ruhigen Art und Bodenständigkeit jene Charakteristika, für die auch der FC Augsburg in der Bundesliga seit 2011 lange stand. Und die dem Verein in den vergangenen Jahren durch Turbulenzen und Eklats samt Suspendierungen von Caiuby und Martin Hinteregger abhanden gekommen waren. Auch das soll sich durch Herrlich wieder ändern.

Reuter bezeichnete den ehemaligen Stürmer zudem als »absoluten Fachmann«. Er sei sicher, dass man mit diesem »wieder in die Erfolgsspur finden« werde. Herrlich sagte: »Ich bin dankbar, dass ich hier die Chance bekomme, als Trainer wieder täglich mit einer Mannschaft intensiv arbeiten zu können.«

Reuter und Herrlich kennen sich bestens, neun Jahre lang spielten sie von 1995 bis 2004 bei Borussia Dortmund zusammen. Nun werden sie am Sonntag im Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg erstmals beim FCA gemeinsam auf der Bank sitzen. Für die Augsburger geht es darum, möglichst rasch wieder jene Erfolge einzufahren, die zuletzt oft ausgeblieben waren. Mit vier Punkten aus acht Spielen stellen sie das schlechteste Team der Rückrunde. Der Vorsprung auf Relegationsplatz 16 war am Sonntag nach der 0:2-Niederlage beim FC Bayern von zwischenzeitlich zehn auf fünf Punkte zusammengeschmolzen. Beim FCA vermissten sie unter Schmidt zudem zunehmend eine spielerische Linie. Daran änderten auch kleine Fortschritte in den jüngsten Spielen gegen Mönchengladbach (2:3) und in München nichts.

Eine klare Spielidee zu vermitteln, wird nun auch Herrlichs Aufgabe sein. In Leverkusen hatte das aus Sicht des Vereins nicht funktioniert. Begründet wurde 2018 die Trennung von Herrlich einen Tag vor Heiligabend mit »einer Stagnation in der Entwicklung des Teams«, also ähnlich wie nun bei Schmidt in Augsburg. Darauf verwies Reuter am Dienstag. »Wir hatten große Sorgen, dass wir unser Ziel Klassenerhalt nicht erreichen können, weil es in die falsche Richtung ging - schon seit Wochen oder Monaten«, sagte er und bezeichnete die aktuelle Situation als »extrem gefährlich«.

Dass Herrlich zumindest mit seinen Einstellungen und Idealen zum FCA zu passen scheint, ließe sich auch aus einer weiteren früheren Aussage ableiten. »Erfolg ist für mich, wenn du das Gefühl hast, dass jeder im Kader seine Rolle gefunden hat und jeder alles für die Sache gegeben hat und die Mannschaft im Vordergrund steht und wichtiger ist als das eigene Ego«, sagte er 2017. Zudem seien nicht nur Titel Erfolge, sondern auch ein Ligaverbleib. Und darum geht’s ja in erster Linie immer beim FCA.

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