Der Corona-Sündenbock

Kurt Stenger über das durchsichtige Manöver von US-Präsident Trump gegen die Weltgesundheitsorganisation

Es ist in rechten Kreisen ein beliebtes Spiel, für alles einen Schuldigen zu präsentieren, auch in der Coronakrise. Bei Donald Trump ist dies mehr als ein Spiel, denn als US-Präsident macht er politisch ernst. Dabei ist es ein sehr durchsichtiges Manöver, wenn er der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorwirft, sie habe es »wirklich vermasselt«. Es war der Präsident, der zunächst die Gefahr herunterspielte und sich auf lächerliche Weise als allwissend präsentierte, während die Forscher noch kaum Erkenntnisse hatten. Da angesichts der massiven Ausbreitung in den USA Trumps Wiederwahl in ernste Gefahr gerät, braucht er einen Sündenbock. Perfekt fürs rechte Wahlvolk war schon immer die Uno und die anderen Staaten, die sich angeblich gegen die USA verschworen haben.

Dabei könnte der Präsident einfach einräumen, die Gefahr am Anfang unterschätzt zu haben. Dies gilt ja auch für viele Wissenschaftler. Das ist zudem der eine Grund, weshalb die WHO nicht früher die Pandemie ausgerufen hat. Der andere hängt mit dem seit Jahren gekürzten WHO-Budget zusammen - die Ausrufung des globalen Gesundheitsnotstands bindet große Mittel, die man eigentlich nicht hat. Logisch wäre es daher, wenn die Staaten jetzt den WHO-Etat aufstocken, statt wie Trump mit weiteren Kürzungen zu drohen.

Zurecht kritisiert die EU die Attacke auf die WHO. Doch auch in Europa hat die Reaktion auf Corona einiges von Trump: Die Abschottung gegen das Ausland, die fehlende Solidarität mit anderen Staaten und vor allem die Verweigerung einer multilateralen Reaktion auf die globale Bedrohung unter Führung der Uno zeigen dies. Aber wenigstens sucht man nicht auch nach einem Sündenbock.

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