Potsdam verspielt das Halbfinale

Turbines Fußballerinnen unterliegen Essen mit 1:3 im DFB-Pokal und blicken desillusioniert in die Zukunft

Weil in der Bundesliga weder nach oben noch nach unten etwas geht, war der Pokal Potsdams letzte Hoffnung. Auch die ist nun dahin. Und in der neuen Saison warten altbekannte Probleme auf Turbine.

Von Alexander Ludewig

Für Matthias Rudolph war es »das wichtigste Spiel in unserer Saison«. Entsprechend enttäuscht war der Trainer von Potsdams Fußballerinnen am Mittwoch nach dem Abpfiff der Viertelfinalpartie im DFB-Pokal gegen die SGS Essen. Im heimischen Karl-Liebknecht-Stadion verlor Turbine mit 1:3 (1:2). Für den Traum, nach fünf Jahren mal wieder das Pokalfinale zu erreichen, hatten die Potsdamerinnen zuvor auf dem Platz aber auch zu wenig gezeigt.

Dass es umkämpfte 90 Minuten werden würden, war vorher klar. Die Tabellennachbarn aus Nordrhein-Westfalen und Brandenburg trennt in der Bundesliga auf den Plätzen fünf uns sechs nur ein Punkt. Das letzte Aufeinandertreffen hatte Turbine im letzten Spiel vor der Coronapause mit 1:0 knapp für sich entscheiden können. Während es für die Essenerinnen das erste Spiel nach dem Neustart war, mussten die Potsdamerinnen schon am vergangenen Wochenende in der Bundesliga ran. Nach der 2:3-Niederlage in Freiburg hatte Rudolph das Abwehrverhalten kritisiert. »Da müssen wir kompakter und sicherer stehen«, forderte Turbines Trainer für dem Pokalauftritt.

Die Defensive ist schon in der gesamten Spielzeit das große Potsdamer Problem: Mit bislang 37 Gegentreffern in der Liga stellt Turbine die viertschlechteste Abwehr der zwölf Erstligisten. Auch am Mittwoch führte es zum K. o. Bei den ersten beiden Essener Toren durch Etonam Anyomi in der 44. Minute und eine Minute später durch Lea Schüller ließ sich die gesamte Potsdamer Defensive von wenigen einfachen Pässen ausspielen. Beim dritten Treffer von Marina Hegering nach 51 Minuten war Turbine samt der ins Tor zurückgekehrten Vanessa Fischer machtlos: Die Spielführerin der SGS hämmerte den Ball mit ihrem linken Fuß unhaltbar aus 30 Metern ins obere linke Eck.

Den Doppelschlag kurz vor der Pause und das Traumtor seiner Abwehrchefin kurz nach dem Wiederanpfiff sah Essens Trainer Markus Högner dann auch als »spielentscheidend« an. Verdient war der Sieg des SGS allerdings in jeder Hinsicht. Abgesehen von einer druckvollen Viertelstunde ab Mitte der ersten Halbzeit, fanden die Potsdamerinnen nur sehr selten Mittel, die von Hegering stark organisierte Essener Abwehr vor Probleme zu stellen. Nur zweimal kam Turbine spielerisch gefährlich vor das Tor der Gäste: beim Führungstreffer durch Sophie Weidauer in der 38. Minute mit einem sehenswerten Volleyschuss aus 12 Metern und vier Minuten später durch Gina Chmielinski. Ihr Schuss aus halblinker Position konnte aber auf der Torlinie noch entschärft werden.

Matthias Rudolph raufte sich das ein oder andere Mal verzweifelt die Haare. Beim Lattentreffer nach einem Kopfball von Johanna Elsig in der 16. Minute sowie beim Freistoß von Marie-Therese Höbinger nach 83 Minuten an den Pfosten fehlte vielleicht nicht viel, vor allem das Glück. Aber die Hoffnung auf Standardsituationen war zu wenig gegen die starken Essenerinnen. Diese hatten mehr Chancen und waren nicht nur spielerisch überlegen, sondern wirkten auch körperlich und mental frischer. Markus Högner begründete es wie folgt: »Wir sind jetzt schon lange im Training, vier Wochen in Kleingruppen, drei Wochen mit dem Team.«

Potsdams Trainer setzte mit Ausnahme der Torhüterin auf das Team, das auch gegen Freiburg begann. Auch das war ein Hinweis darauf, wie wichtig ihm dieses Viertelfinalspiel im DFB-Pokal war. Denn grundsätzlich will er nach dem Neustart der Saison »viel rotieren, um Verletzungen zu vermeiden«. Die Belastungen für die Spielerinnen sind nach der Coronapause und dem harten Programm bis zum geplanten Saisonende am 28. Juni einfach zu hoch.

Nach dem Pokalaus entspannt sich die Situation zumindest in Potsdam ein wenig. Das Halbfinale in einer Woche in Leverkusen spielt die SGS Essen. Für Turbine steht nur noch die Bundesliga auf dem Programm. »Den ganz großen Druck haben wir nicht mehr, da wir vor der Zwangspause genügend Punkte eingefahren haben«, meint Rudolph. Vielleicht ist das eine gute Zeit für Turbines Trainer, um schon für die Zukunft zu probieren. Denn wie jedes Jahr verliert Potsdam auch nach dieser Saison wieder wichtige Leistungsträgerinnen. Allen voran Sarah Zadrazil: Die Österreicherin war auch am Mittwoch wieder die auffälligste Potsdamerin - als zweikampfstarke Antreiberin im Mittelfeld, kluge Passgeberin und intelligente Verbindungsspielerin zwischen Abwehr und Angriff.

Der Verlust der Spielführerin ist schmerzhaft. So sehr ihn Matthias Rudolph auch bedauert, den Wunsch der 27-Jährigen nach einer neuen Herausforderung und einem großen Vertrag kann er nachvollziehen. Weniger Verständnis hat er für die Abgänge von Top-Torjägerin Lara Prasnikar und Eigengewächs Caroline Siems. »Lara wurde von uns aufgebaut und hat jetzt gerade einmal eine erfolgreiche Saison gespielt. Da hätten wir uns gewünscht, dass sie aus Dankbarkeit noch ein, zwei Jahre geblieben wäre.« Gleiches gilt für Siems, die das Vertrauen, das während ihrer langen Verletzungszeit in sie gesetzt wurde, nun ausblendet. »Wir haben bei allen drei Spielerinnen versucht, ihre Vertragsforderungen zu erfüllen. Am Ende haben sie sich für andere Klubs entschieden«, berichtete Rudolph. Aber im Neuaufbau ist Turbines Trainer geübt: 2019 verließen gleich fünf Stammspielerinnen den Verein.

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