- Politik
- Grundgesetz
Rassismus raus aus den Köpfen!
Eine Streichung des »Rasse«-Begriffs aus dem Grundgesetz wird nicht reichen, um rassistische Diskriminierung zu beenden
Nach den Grünen sind nun auch SPD und FDP für eine Streichung des »Rasse«-Begriffs im Grundgesetz. Dort heißt es in Artikel 3: »Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.«
Der Vorstoß ist natürlich gut und wichtig. Denn verschiedene menschliche »Rassen« gibt es nicht. Die abwegige Behauptung der biologischen Ungleichheit der Menschen und deren Einteilung in unterschiedliche »Rassen« basiert auf der pseudowissenschaftlichen Rassentheorie des 19. und 20. Jahrhunderts, die eine Legitimierung für kolonialistische Ausbeutung bot und später zu einem Kernpunkt der NS-Ideologie wurde. Schlimm genug also, dass diese Formulierung so lange Zeit im Grundgesetz stehen und so den Eindruck vermitteln konnte, dass es verschiedene »Menschenrassen« gibt.
Die UNESCO hatte »bereits« 1995 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es keinen wissenschaftlichen Grund dafür gibt, den Begriff »Rasse« weiterhin zu verwenden. In Deutschland scheiterte die Linksfraktion 2010 mit dem Versuch, das Wort »Rasse« aus allen deutschen Gesetzen zu entfernen. Und im vergangenen Jahr haben Wissenschaftler*innen in der »Jenaer Erklärung« dazu aufgerufen, den Begriff »Rasse« nicht mehr zu verwenden.
Es wird also Zeit! Einen Haken gibt es allerdings: Den Begriff ersatzlos zu streichen, kann keine Lösung sein. Denn dann würde auch der Schutz vor rassistischer Diskriminierung entfallen. Die wird es in Deutschland aber weiterhin geben, weil Rassismus nicht einfach durch die Streichung eines Begriffs aus den Köpfen der Menschen verschwinden wird.
Besser wäre es also, im Grundgesetz von »rassistischer Diskriminierung« zu sprechen: Eine solche Formulierung beinhaltet einerseits eine klare Ablehnung der menschenfeindlichen Rassentheorie, anerkennt aber andererseits, dass Rassismus existiert.
Um dem wirklich zu begegnen, muss die Geschichte von Kolonialismus und Rassismus in Deutschland neu erzählt werden. Dafür muss die weiße Mehrheitsgesellschaft den Betroffenen in den nächsten Tagen, Wochen, Monaten und Jahren erst einmal zuhören.
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.