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  • Sieben Tage, sieben Nächte

Wo habe ich nur meinen Job gelassen?

Den Deutschen werden gern eine gewisse Miesepetrigkeit und ein Hang zum Pessimismus zugeschrieben. Doch dem widerspricht nun das Wirtschaftsforschungsinstitut DIW: Trotz Corona, Lockdown und Wirtschaftskrise hätten sich laut Umfragen die »Lebenszufriedenheit« und die »psychische Gesundheit« der Bevölkerung nicht verschlechtert. Dies allerdings, so warnt das DIW, könne sich ändern, »sollten zukünftig viele Arbeitsplätze durch die Krise verloren gehen«. Da stellt sich die Frage: Wer verliert immerzu diese vielen Jobs, wo bleiben sie und wie findet man sie wieder?

Jeder Mensch verlegt ständig alles Mögliche: Schlüssel, Pass, Geld, Kugelschreiber. Wohl dem, der die Dinge mit einem elektronischen Tracker versehen hat, der Signale sendet, sodass man sie per App wiederfinden kann. Alle anderen müssen traditionelle, analoge Wege gehen: Man muss sich fragen, wo und wann man das verlorene Ding zuletzt gesehen oder verwendet oder wo man es das letzte Mal verloren hat. Kommt man zu keinem Schluss, soll man eine Nacht drüber schlafen. Zur Vorbeugung kann man sich einen festen Platz für verlustträchtige Gegenstände suchen - am besten werden sie dort deponiert, wo man üblicherweise als Erstes danach sucht.

Darüber hinaus existieren jenseitigere Methoden. So verspricht die Internetseite www.heiligerantonius.de, dass der vor 789 Jahren verstorbene Antonius von Padua dabei helfen kann, verlorene Sachen wiederzufinden. »Wir wissen auch nicht, wie es letztendlich funktioniert.« Im Fantasy-Rollenspiel Midgard wiederum gibt es sogar einen Zauber »Dinge wiederfinden«. Voraussetzung für dessen Wirksamkeit ist allerdings, dass der Zauberer »den Gegenstand längere Zeit besessen hat, er nicht zerstört oder zerlegt wurde und sich auf der gleichen Welt wie der Zauberer befindet«.

Das dürfte im Falle verlorener Arbeitsplätze schwierig werden. Schon weil abhängig Beschäftigte ihren Arbeitsplatz nicht besitzen, schon gar nicht »längere Zeit«. Eigentümer dieses Platzes ist nämlich der Unternehmer. Und wenn der einen Job abbaut, dann hat er ihn zerstört oder zumindest zerlegt, was man meist »Rationalisierung« nennt. So wie derzeit die mit vielen Staatsmilliarden gerettete Lufthansa: Die Airline »braucht« laut Personalvorstand Michael Niggemann künftig 26 000 Mitarbeiter weniger als früher. Um möglichst viele Jobs zu »retten« (vor wem eigentlich?), müssten die Personalkosten deutlich sinken, womit der Lufthansa-Manager klarstellt, wie und warum Arbeitsplätze heutzutage immerzu verloren gehen und wie man sie wiederfindet: indem die Beschäftigten Einkommen verlieren. Und die müssen sich dann an den Heiligen Antonius wenden, denn der Dinge-wiederfinden-Zauber dürfte wirkungslos bleiben. Stephan Kaufmann

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