Jubiläum mit Schatten

MEINE SICHT: Nicolas Šustr über ein Jahr Beschluss zum Mietendeckel

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 2 Min.

Seit einem Jahr dürfen die Mieten in Berlin nicht mehr steigen. Zumindest für all die Wohnungen, die vor 2014 fertiggestellt worden sind. Ein schöner Erfolg für die Mitte-links-Koalition. Anderswo in der Republik feiert der Mietenwahnsinn fröhliche Urständ.

Auch in Berlin gibt es Schatten, die sogenannte Schattenmiete, also die Vereinbarung einer zweiten, höheren Miete als laut Mietendeckel zulässig. »Wohl zulässig«, lautet die bedauernde Auskunft von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke). »Besonders kreative Vermieter vermieten zusätzlich zum Wohnraum einen Keller zu überhöhter Miete«, berichtet Anwalt Benjamin Hersch im aktuellen »Infobrief« des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins.

Für viele Wohnungsinteressenten sind die zum Teil mehrfach so hohen Schattenmieten, die vereinbart, aber nicht gefordert werden, ein Albtraum. Gehen sie das Risiko ein, möglicherweise fünfstellige Eurobeträge nachzuzahlen, sobald die Schlachten vor Gericht geschlagen sind? Der Moment der Wahrheit dürfte noch diesen Sommer kommen, dann nämlich, wenn Lompschers Verwaltung von mindestens einem Bezirk erlassene Bußgeldbescheide gegen Schattenmieten, die als Gesetzesverstoß gewertet werden, wirklich einkassiert. Die Senatsverwaltung ist nämlich die Widerspruchsstelle.

Kein Wunder, dass eine Forderung der Mieterdemonstration an diesem Samstag die Durchsetzung des Mietendeckels ist. Denn einige Juristen sind durchaus der Meinung, dass die Vereinbarung von Schattenmieten unzulässig ist. Lompschers politische Ziele werden von ihrem Apparat nicht unbedingt geteilt. Das ist fatal. Denn da, wo Bußgelder drohen, halten sich fast alle Vermieter an das Gesetz. Die Mieter müssen den politischen Druck erhöhen, wenn die Vermieterlobby nicht gewinnen soll. »Gemeinsam mit den Bezirken werden wir weiterhin mit aller Kraft an der erfolgreichen Umsetzung des Gesetzes arbeiten«, verspricht Lompscher.

- Anzeige -

Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln

Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.