Der Mensch als Ganzes

Wie Andreas Michalsen Schulmedizin und Naturheilkunde versöhnt

  • Irmtraud Gutschke
  • Lesedauer: 2 Min.

Während seines Studiums und seiner Habilitation hat er sie selbst erfahren: die Arroganz der Schulmedizin gegenüber anderen Heilmethoden bis hin zum Schimpfwort »Scharlatanerie«. Aber als Sohn eines naturmedizinisch gebildeten Arztes hat sich Andreas Michalsen, inzwischen Chefarzt am Immanuel-Krankenhaus Berlin-Buch und Professor für Klinische Naturheilkunde an der Charité, von seinem Weg nicht abbringen lassen. Er traf seine Entscheidung für die »Zuwendungsmedizin« - das heißt: Abschied von einer Herangehensweise rein nach dem Symptom, hin zu einem ganzheitlichen Konzept des Heilens, das die gesamte Situation des Patienten einbezieht. Dabei wird natürlich auch von diesem etwas verlangt. Eine Pille, noch eine und noch eine, dann ist man mit dem Arzt zufrieden - diese Haltung ist durchaus verbreitet. Hören Patienten überhaupt auf Ratschläge zur gesunden Ernährung oder zu mehr Bewegung? Wie krank müssen sie erst werden, um ihre Lebensweise zu ändern, und ist es dann nicht schon zu spät?

Interessenten für Naturheilkunde gibt es indes immer mehr, gerade unter gebildeten jungen Leuten. Entsprechende Ratgeberliteratur lässt sich auf dem Buchmarkt leicht finden. Was diesen Band besonders macht, ist tatsächlich auch die schulmedizinische Qualifikation des Autors. Ob Blutegeltherapie, Schröpfen oder Aderlass, Hydrotherapien (allen voran Kneipp-Kuren), Fasten, Yoga, Ayurveda oder Akkupunktur, Heilpflanzen - stets werden zu eigenen klinischen Erfahrungen auch internationale Studien herangezogen, denn solcherlei Beweise braucht es in der evidenzgestützten Medizin.

Insofern können auch Ärzte die Adressaten sein. Ihnen bietet der Autor seine Behandlungspläne zu Bluthochdruck, koronarer Herzkrankheit und Arteriosklerose, Arthrose, Rücken- und Nackenschmerzen, Diabetes, Rheuma sowie Magen- und Darmerkrankungen an, in denen er Schul- und Naturmedizin kombiniert. Beides gehört für ihn zusammen, insbesondere auch, was chronische Krankheiten betrifft. »Jeden Tag nehmen Millionen Menschen Medikamente ein, die ihnen letztlich nicht helfen, weil die Medizin noch zu wenig individualisiert arbeitet.« Gestützt auf Genetik und Molekularbiologie, könnte es da Fortschritte geben. Zugleich müsse die Naturheilkunde stärker gefördert werden, entsprechende Studien inklusive.

Das Buch ist 2018 erstmals erschienen und hatte schon mehrere Auflagen. Mit der neuen Taschenbuchausgabe könnte aus dem Bestseller ein Longseller werden.

Andreas Michalsen: Heilen mit der Kraft der Natur. Meine Erfahrung aus Praxis und Forschung. Suhrkamp/Insel, 304 S., br., 10,95 €.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal