Neuer Ärger um Berlins alte Mitte

Das Rathausforum wird als Freiraum neu gestaltet - ein geplanter Wettbewerb übergeht das DDR-Erbe weitgehend

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 3 Min.

Bei der beabsichtigten Neugestaltung der historischen Mitte Berlins bahnt sich Streit an. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen bereitet einen europaweiten Wettbewerb zur Freiraumgestaltung des sogenannten Rathausforums vor, der Ende August ausgelobt werden soll.

Die Initiative »Offene Mitte Berlin« kritisiert jedoch, dass das bauliche Erbe der DDR, die bis heute ja real bestehende Freiraumgestaltung des Areals zwischen Alexanderplatz und einstigem Palast der Republik am jenseitigen Ufer der Spree, nicht oder nur peripher besprochen worden sei. Das meint auch der Landschaftsarchitekt Stephan Strauss, ein in der Entwicklung des Areals ausgewiesener Experte mit Erfahrung sowohl im Magistrat der DDR-Hauptstadt als auch in der Senatsverwaltung. Er gehört der Initiative an, in der sich Architekten, Künstler und Geisteswissenschaftler zusammengefunden haben. »Das war der zentrale öffentliche Raum der DDR. Die städtebauliche Setzung einer Freiraumachse, die Fußgängern einen Raum gab, in dem öffentliches Leben stattfand«, sagt Strauss. »Es geht um ein Areal, das für Berlin von ähnlicher Bedeutung ist wie der Central Park für New York.«

Dass selbst Experten, die das Ost-Berliner Zentrum in den 60er und 70er Jahren mit entwickelt haben, nicht einmal gefragt wurden, in diesem Mangel an Wertschätzung sieht er bewusstes Handeln der Verwaltung. Dafür spreche auch, dass ganze Bereiche des Rathausforums heute verwahrlost seien. Eine dem Wettbewerb vorausgegangene öffentliche Debatte unter Einbeziehung der Stadtgesellschaft hatte sich auf eine Reihe von Leitlinien verständigt. Die politische Ebene leitete daraus als Prinzipien ab, die Flächen von Rathausforum und Marx-Engels-Forum von (weiterer) Bebauung freizuhalten und der öffentlichen Nutzung zu erschließen. Das zählt zu jenen Forderungen, die neben der Initiative »Offene Mitte Berlin« unter anderem auch die Stiftung Zukunft Berlin um Ex-Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer (CDU) vertritt.

Der Wettbewerb ist nach Einschätzung der zuständigen Senatsverwaltung gut vorbereitet. »Im Rahmen der Vorbereitung Wettbewerbsverfahrens Rathausforum/Marx-Engels-Forum gab es einen intensiven öffentlichen Dialogprozess zur Vorbereitung des Wettbewerbs und der Formulierung der Aufgabenstellung. Dieser wurde, bedingt durch die mit der Covid-19-Pandemie verbundenen Auflagen und Einschränkungen, abrupt und auf der Zielgeraden unterbrochen«, teilte Sprecherin Katrin Dietl auf nd-Anfrage mit. Das gesamte Verfahren sei durch eine intensive Bürgerbeteiligung vorangetrieben und begleitet worden. »Die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs haben wir gemeinsam in einem intensiven Austauschprozess in Einzelgesprächen und den Fachlaboren zwischen den Verwaltungen, Expert*innen, Anrainern und Initiativen und anschließend in den Stadtlaboren mit der Berliner Zivilgesellschaft diskutiert, ausgehandelt und abgestimmt.«

Ein Blick in den Wettbewerbsent᠆wurf, der »nd« vorliegt, lässt die von Strauss und seinen Mitstreitern von »Offene Mitte Berlin« vorgebrachte Vermutung zu. In der vorgeschlagenen Jury und bei den Sachverständigen sucht man die Kompetenz ostdeutscher Kollegen vergebens.

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