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Repression gegen Baseler Antifa

Polizei und Justiz wollen linke Szene in der Schweizer Stadt einschüchtern und spalten

  • Anina Ritscher
  • Lesedauer: 3 Min.

Es war ein selten deutliches Zeichen in der Schweiz: Unter der Losung »Basel bleibt nazifrei« hatten sich im November 2018 rund 2000 Demonstranten einem Grüppchen von etwa fünfzig Neofaschisten der Partei National Orientierter Schweizer (PNOS) in den Weg gestellt. Die Baseler Polizei schützte den Naziaufzug rigoros. Die Gegendemonstranten wurden von ihr eingekesselt und mit Gummischrot beschossen. Aus den Reihen der Demo sollen daraufhin Steine und Bierdosen geflogen sein.

Was folgte, waren Hausdurchsuchungen und Anklagen gegen linke Demonstranten. Galt die Baseler Polizei bis dahin im Vergleich mit anderen Schweizer Städten als weniger konfrontativ ausgerichtet, zeigte ihr Vorgehen am Tag der Demonstration und danach, dass sich sich das gründlich geändert hat.

Am Dienstag wurde das erste Urteil in einem von mehreren laufenden »Basel Nazifrei«-Prozessen gesprochen. Einem 25-jährigen wurde Landfriedensbruch und die »passive Teilnahme an Gewalt« gegen Beamte zur Last gelegt, weil er sich nicht von der nicht genehmigten Demonstration entfernt hatte, als es zu Ausschreitungen kam. Zudem wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, vermummt gewesen zu sein und ein Transparent hochgehalten zu haben. Das Strafmaß lautete auf acht Monate bedingte, damit vorerst ausgesetzte Freiheitsstrafe bei vier Jahren auf Bewährung (Probezeit).

Mehr als ein Jahr lang hatte die Polizei in Basel immer wieder Hausdurchsuchungen durchgeführt und Verfahren eingeleitet. »Damit sollte eine allgemeine Unsicherheit in der Bewegung erzeugt werden«, sagt Julia Kraus (Name geändert). Sie ist eine von sechzig Personen, gegen die Strafverfahren wegen Landfriedensbruchs eingeleitet wurden. Darum sei es »umso wichtiger«, betont sie, »die Positionen hinter der antifaschistischen Demo zu verteidigen.«

»Die Demonstration damals werten wir nach wie vor als großen Erfolg«, sagt Stefan Bauer (Name geändert) von »Basel Nazifrei«. Die PNOS habe den Messeplatz verlassen müssen, weil der Protest gegen sie zu groß wurde. »Wir haben ihnen gezeigt, dass sie hier nicht einfach ihre Ansichten in die Öffentlichkeit tragen können.«

»Die Anklagen sollen die Bewegung spalten«, schätzt Bauer ein. Die »guten« friedlichen sollten gegen radikalere Aktivisten ausgespielt werden, vermutet er, um ihr Bündnis mit der urlinken Gewaltdebatte zu beschäftigen und aufzusprengen. Insbesondere junge Antifas sollten mit den Prozessen eingeschüchtert und von politischer Betätigung in der Szene abgeschreckt werden.

Bisher scheint dieses Kalkül der Behörden nicht aufzugehen: Mit einer breiten Kampagne werden die Angeklagten unterstützt. Wenige Tage vor dem ersten Urteilsspruch gab es in Basel eine Solidemo unter dem Motto »Wir sind alle antifaschistisch«. Die Polizei war auch hier massiv präsent und kontrollierte die Teilnehmenden. Aktivist Bauer betont: »Wir wollen zeigen, dass wir genauso gehandelt hätten, wie die Menschen, die jetzt vor Gericht stehen, dass sie alles richtig gemacht haben.«

Rechtsanwalt Andreas Noll vertritt einige der Baseler Angeklagten. Die Entscheidung vom Dienstag hat er mit Verwunderung aufgenommen. Insbesondere kritisiert er, dass die 60 Verfahren nicht einzeln geführt werden. Dadurch, befürchtet Noll, dürften sich die Urteile in den noch anstehenden Prozessen am harten zuerst ergangenen orientieren. »Ich und meine Mandanten werden unsere Argumente gar nicht mehr richtig vorbringen können«, sagt der Anwalt. Das verletze den gesetzlichen Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht.

Noll beklagt, dass Gewalt vonseiten der Polizei in den Verfahren keine Rolle spielt. »Auf den Videoaufnahmen ist deutlich zu sehen, dass die Polizei ohne Not Gummischrot in die Menge geschossen hat.« Dabei gebe es keine Anzeichen dafür, dass Demoteilnehmer versucht hätten, die Polizeisperre zu überwinden. »Das erweckte bei Demonstranten verständlicherweise den Eindruck, dass die Polizei Sympathien für die PNOS-Demo hatte.« Der Strafverteidiger sieht eine Tendenz: »Es wird weniger nach persönlichem Verschulden der Angeklagten geurteilt und mehr danach, wie die Medien berichten. Das wirft ein Schlaglicht auf die Unabhängigkeit der Justiz.« Von den 60 Verfahren wurden etwa 20 bereits ans Gericht übermittelt. In den kommenden Monaten werden die Urteile fallen.

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