Afrika auf falschem Pfad

Eine neue Studie widerlegt Versprechen der Grünen Revolution.

  • Martin Ling
  • Lesedauer: 3 Min.

Schon das Vorbild war längst nicht so erfolgreich wie es verkauft wurde: Mit der sogenannten Grünen Revolution sollte in Asien und Lateinamerika ab den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts dem Hunger der Garaus gemacht werden. Daraus ist bekanntlich nichts geworden, 2019 litten laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) über 820 Millionen Menschen an Hunger. Am Montag veröffentlicht die FAO ihre neue Zahlen: Die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie werden darin noch gar nicht erfasst und trotzdem wird davon ausgegangen, dass die Zahl zum fünften Mal in Folge angestiegen ist. Viele von den Hungernden leben in Afrika, aber auch in Asien und Lateinamerika.

Die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung und die Rockefeller-Stiftung nahmen sich die Grüne Revolution trotz ihrer bescheidenen Erfolge 2006 zum Vorbild für die Alliance for a Green Revolution in Africa (Agra). Nach Asien und Lateinamerika sollte nun auch Afrika in den »Segen« der input-intensiven Landwirtschaft kommen, die auf Ertragsmaximierung ausgerichtet ist. Die Gründer*innen von Agra argumentierten, dass sowohl Saatgut als auch Technologien durch den wissenschaftlichen Fortschritt mittlerweile so verbessert worden seien, dass Afrika eine auf die spezifischen ökologischen und klimatischen Bedingungen zugeschnittene Grüne Revolution erfahren könne. Der Ansatz blieb derselbe - gefördert wird die Einführung neuer Hybridsaatgutsorten, die mit umweltschädlichen synthetischen Düngemitteln und Pestiziden bearbeitet werden müssen.

Mit im Boot von Agra: die multinationalen Agrarunternehmen wie Bayer - seit der Fusion mit dem Hybridsaatgut- und Herbizidproduzenten Monsanto im Schlepptau -, BASF, Cargill und andere Größen der Agrochemie. Sie liefern zu für sie lukrativen Konditionen die Agra-Produkte.

Die selbst gesteckten Ziele von Agra waren hoch: Die Einkommen von 20 Millionen kleinbäuerlichen Haushalten sollten durch Produktivitätsverbesserungen verdoppelt werden, später wurden die Zahl sogar auf 30 Millionen nach oben korrigiert. Und zwar bis 2020. Im Juni ist die Zielmarke ohne Angabe von Gründen von der Webseite genommen worden. Um dieses Ziel zu erreichen, erhielt Agra über eine Milliarde US-Dollar - vor allem von der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung, aber auch die Bundesregierung gehört zu den Geldgebern.

Zu einem vernichtenden Urteil kommt die Studie »Falsche Versprechen: Die Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika (Agra)«, die am Freitag von einem breiten zivilgesellschaftlichen Bündnis um die Rosa-Luxemburg-Stiftung vorgelegt wurde: »Der Agra-Ansatz ist an den eigenen Zielen gescheitert. 14 Jahre nachdem die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung die Agrarallianz gegründet hat, hungern 30 Prozent mehr Menschen in den 13 Agra-Schwerpunktländern, und das Verschuldungsrisiko für Kleinbauern und -bäuerinnen hat sich erhöht.«

Die Studie, deren Analyse zu einem Großteil auf der Arbeit des Wissenschaftlers Timothy A. Wise aus den USA beruht, zeigt auch, dass kleinbäuerliche Erzeuger*innen einem hohen Verschuldungsrisiko ausgesetzt sind. »Agra ist ein Teufelskreis, der kleinbäuerliche Erzeuger*innen immer weiter in die Armut treibt und dabei ihre natürlichen Lebensgrundlagen zerstört«, sagt die Landwirtschaftsspezialistin Mutinta Nketani von der Organisation Pelum Sambia und Mitautorin der Studie. »Die Bäuerinnen und Bauern werden gedrängt, das teure Hybridsaatgut der Konzerne zu kaufen, das nur in Kombination mit Düngemitteln funktioniert, die sich die Menschen eigentlich gar nicht leisten können.«

Dass die Bundesregierung mitsamt dem Entwicklungsministerium Agra unterstützt, erklärt sich als deutsche Wirtschaftsförderung. Bei der Eindämmung des Coronavirus mag sich die Bundesregierung auf wissenschaftliche Expertise stützen, in der Agrarpolitik nicht. Schon 2008 kam der Weltagrarrat - über 400 Expertinnen und Experten aller Kontinente und Fachrichtungen - in seinem Abschlussbericht zu der Erkenntnis, dass der Weg zur Bekämpfung von Hunger und Armut in der Förderung der Agrarökologie läge. Dabei geht es um diversifizierte Systeme, die wirtschaftliche, ökologische und soziale Faktoren miteinander in Einklang bringen und auf einem regionalen Ansatz beruhen. Kurz: um das Gegenteil zum System Monsanto.

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