Flüchtlingshelfer ohne Strafe

Aktivist von Initiative Bürger*innenasyl stand vor Gericht

  • peter Nowak
  • Lesedauer: 2 Min.

Flüchtlingsschutz ist kein Verbrechen. Das musste Mitte Juli auch das Amtsgericht im bayerischen Alzenau bestätigen. Die Behörde sprach zu diesem Zeitpunkt Hagen Kopp von der Anklage frei, öffentlich zu Straftaten aufgefordert zu haben. Kopp und seine Unterstützer*innen waren erleichtert über das Ergebnis, fragten sich allerdings auch, wie es überhaupt zu der Anklage kommen konnte.

Der langjährige Aktivist Kopp stand vor Gericht, weil er presserechtlich verantwortlich für die Webseite aktionbuergerinnenasyl.de ist. »Schütze Menschen vor Abschiebung - Mach mit«, lautet das Motto der bundesweiten Kampagne Bürger*innenasyl, die im Mai 2017 in Hanau ihren Anfang nahm.

Hintergrund waren die seit Ende 2016 angelaufenen Charterabschiebungen nach Afghanistan, also in ein bekanntlich von anhaltendem Bürgerkrieg gezeichnetes Land. Über 50 Bürger*innen der Hanauer Zivilgesellschaft hatten damals den Aufruf mit folgender Selbstverpflichtung unterzeichnet: »Wir werden von Abschiebungen bedrohten Flüchtlingen aus Afghanistan Bürgerasyl gewähren. Das heißt, wir werden Platz machen in unseren Wohnungen und notfalls die Menschen verstecken, die in Krieg und Verfolgung zurückgeschickt werden sollen.«

Die zivilgesellschaftliche Initiative weitete sich schnell aus. 2018 warb Bürger*innenasyl mit Plakaten und einer Webseite für den Schutz von abschiebebedrohten Menschen. »Ich würde Menschen verstecken, um sie vor Abschiebung zu schützen«, lautete die zentrale Stelle des Aufrufs. Diese Selbstverpflichtung wurde noch präzisiert: »Deshalb rufe ich dazu auf, lokale Initiativen zu unterstützen, die von Abschiebung bedrohten Menschen Bürger*innenasyl gewähren und sie auch notfalls in ihren Wohnungen verstecken. Ich werde mich selbst, nach meinen Möglichkeiten, an Initiativen des zivilen Ungehorsams gegen die ethisch nicht vertretbare Abschiebepolitik beteiligen.« Diese Passagen brachten Hagen Kopp vor Gericht.

Unterstützung bekam der Aktivist vom Komitee für Grundrechte und Demokratie. »Die Notwendigkeit einer gesellschaftlichen Intervention des Zivilen Ungehorsams in Form des Bürger*innenasyls ist so lange menschenrechtlich geboten, wie das unmenschliche Abschiebesystem fortbesteht«, betonte die Referentin der Initiative, Britta Rabe.

Die antirassistische Solidarität wird auch nach Hagen Kopps Freispruch weiter nötig sein. Freigesprochen wurde er nur, weil die Richter der Meinung waren, die beanstandeten Passagen seien zu allgemein gehalten, um als Aufforderung zu einer Straftat zu gelten. Konservative Politiker*innen, darunter Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), haben in der letzten Zeit wiederholt massiv antirassistische Initiativen und Einzelpersonen angegriffen, die angeblich dafür verantwortlich sind, dass geplante Abschiebungen nicht stattfinden können, weil die Geflüchteten nicht auffindbar sind. Besonders unter Druck stehen zivile Initiativen wie das Kirchenasyl und jetzt auch das Bürger*innenasyl.

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