Schon als Kind scheiße

SCHUFA DER LIEBE: Schon vor der Erfindung des Internets wurden Medien von menschenverachtenden Säcken gemacht.

  • Paula Irschmler
  • Lesedauer: 3 Min.

Ich weiß ja nicht, wie eure Kindheit so war. Falls ihr um die Jahrtausendwende geboren seid, dann habt ihr aber wahrscheinlich Glück gehabt: Ihr konntet euch im Internet selbst zusammenstellen, womit ihr euch beschäftigen wollt, und wart nicht so angewiesen auf Fernsehen, Radio und euer nahes Umfeld. Ihr konntet in Foren, in Videos und sonst wo Gleichgesinnte sehen, kennenlernen und euch auch selbst präsentieren. Wir hatten da eher noch so den medialen Frontalunterricht - da lief jenes um die und die Uhrzeit im TV und dort war das Magazin, das alle jungen Leute lesen sollten, und hier, nimm dies Lied, ob du es hören willst oder nicht. Das bedeutete, dass uns neben viel normalem und nervigem Kram auch richtig menschenverachtendes Zeug reingespült wurde. Schließlich wurden die Medien ja auch allzu lange von menschenverachtenden Säcken gemacht.

Meine Freundinnen und ich sind also aufgewachsen mit einer Medienwelt, in der Frauen entweder Dekoration oder Müll waren. Mit einer Welt, in der Schwarze Menschen exotisiert, übersexualisiert und entmenschlicht wurden. In der dicke Menschen Anlass für jeden zweiten Witz waren. In der homosexuelle Menschen gefürchtet wurden. In der uns immer wieder mitgeteilt wurde: Ihr werdet hier niemals dazugehören.

Durch Kämpfe haben es Menschen mittlerweile geschafft, dazuzugehören oder zumindest den Tischen, an denen die menschenverachtenden Säcke sitzen, näher zu kommen. Sie kritisieren dabei diesen menschenverachtenden Blick auf die Welt, mit dem wir so lange zugeballert wurden. Und wie reagieren die Säcke? Klar, mit Abwehr: Es war ja eine andere Zeit.

Einfach schlecht gealtert, was? Kann man heute nicht mehr bringen, schade. Man könnte »es« wahrscheinlich auch noch immer bringen. Man muss es aber nicht, musste es nie. Es wäre immer schon auch anders gegangen. Die Sachen sind nicht einfach nur schlecht gealtert - sie waren schon immer verletzend und gefährlich für bestimmte Menschen. Damals wie heute. Und klar, war es eine andere Zeit. Die Zeit war damals noch beschissener für diskriminierte Menschen, und die Säcke haben nichts dagegen getan, sondern nur dafür. Bestimmte Sachen gingen für einen Großteil der Leute früher schon nicht. Es wurde nur nicht zugehört und aktiv verdrängt.

Für viele Frauen war das Körperbild in den Medien schon immer schlimm, und sie haben unter anderem deshalb unter Essstörungen gelitten. Für viele Schwarze Menschen war der rassistische Humor schon immer schlimm, weil sie mit den gleichen Witzen auch auf der Straße begrüßt wurden. Das alles hat Einzug gehalten auf Schulhöfen, in Wohnzimmern, wurde in der Popkultur zementiert.

Man kann sich mit diesem historischen Verweis, der alles ausblendet, was nicht die eigene Lebensrealität ist, nicht aus der Verantwortung ziehen. Man könnte auch einfach mal zugeben, dass es einem damals scheißegal war. Und daraus lernen, es besser zu machen. Jodeldiho!

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