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Maske auf und durch!

In der Major League Baseball flammen immer neue Corona-Infektionsherde auf. Doch die US-Liga will unbedingt ihre Saison retten. Wenn es sein muss, auf Kosten der Gesundheit der Spieler.

Die Zeit der Hoffnung war kurz. Nur einen Tag lang. Erstmals nach mehr als drei Wochen war am Mittwochabend kein Spiel der Major League Baseball (MLB) mehr wegen der Corona-Pandemie ausgefallen. Die US-Profiliga schien endlich virenfrei zu sein. Der Schaden, den der laxe Umgang mit Covid-19 bis dahin angerichtet hatte, war da bereits enorm. Doch alle hofften, er sei nun endlich reparierbar. Am Donnerstag aber kam die nächste schlechte Nachricht. Zwei neue Fälle in New York. Wenn es so weiter geht, wird die ohnehin stark verkürzte Saison der Baseballer in den USA eventuell gar nicht zu Ende gespielt werden können.

Schon der Saisonstart am 23. Juli war sehr umstritten gewesen. Im Gegensatz zu den beiden großen Ligen in Basketball und Eishockey (NBA und NHL) stand bei den Baseballern offenbar nie zur Debatte, die Saison in einer Blase irgendwo in einem Freizeitpark zu Ende zu bringen. So reisen nun alle Klubs kreuz und quer durchs Land, und es dauerte nur vier Tage, bis mit den Miami Marlins Ende Juli der erste Klub einen positiven Fall vermelden und seine Mannschaft in Quarantäne schicken musste. Das war jedoch nur der Anfang.

Das Problem im Vergleich mit NBA und NHL war, dass beim Ausbruch der Pandemie im Frühjahr die Baseballsaison noch nicht einmal angefangen hatte. Es ging also nicht nur darum, mit ein paar verbliebenen Teams die Playoffs zu einem Ende zu bringen und einen Meister zu küren. Nein, eine ganze Spielzeit sollte irgendwie gerettet werden. Immer wieder wurde der Start nach hinten verschoben. Vom April in den Mai, in den Juni und schließlich auf den 23. Juli. Von normalerweise 162 Spielen im Jahr blieben noch 60 für jede Mannschaft übrig.

Die Bundesliga als Vorbild

Da die Idee der Blase schnell verworfen war, wurde ausgerechnet die Fußball-Bundesliga zum Vorbild für die MLB. Die Deutschen hatten vorgemacht, dass ein Reisen von Mannschaften durchs Land möglich war, ohne dass es Krankheitsausbrüche geben musste. Doch die USA sind nicht Deutschland, und Baseball ist nicht Fußball. In der MLB sind 30 Teams unterwegs, statt nur 18 wie in der Bundesliga. Die Mannschaften sind zudem mit 30 Spielern plus Trainern und Betreuern um ein gutes Drittel größer. Der entscheidende Unterschied aber ist, dass im Baseball nicht nur einmal pro Woche gespielt wird, sondern im Grunde täglich. 60 Spiele in 66 Tagen wurden bis zum Beginn der Playoffs Anfang Oktober pro Team angesetzt. Muss eins von ihnen wegen eines Corona-Ausbruchs tagelang in Quarantäne, fallen gleich mehrere Partien aus. Auch die Kalender der Gegner geraten völlig durcheinander.

Da die Miami Marlins zum Zeitpunkt ihrer ersten Fälle gerade erst dreimal gegen die Philadelphia Phillies gespielt hatten, mussten nicht nur die Spieler aus dem Bundesstaat Florida in Quarantäne, sondern als Vorsichtsmaßnahme auch die aus Pennsylvania. 17 Spieler aus Miami sollten letztlich positiv getestet werden. Erst nach acht Tagen Pause spielte das Team wieder, und auch dann nur mit Ersatzspielern, die nie positiv getestet worden waren. Alle anderen sind jetzt, einen knappen Monat später, noch immer nicht wieder zurück auf dem Feld.

Noch bevor Miami und Philadelphia wieder ins Spielgeschehen eintraten, mussten die St. Louis Cardinals ihrerseits die Saison wegen positiver Coronatests in ihren Reihen unterbrechen. Und auch wenn es beim Team aus Missouri »nur« 10 Spieler traf, wurden die Cardinals doch schwerer getroffen, denn sie bekamen den Krankheitsausbruch lange nicht in den Griff. Eine erste Quarantänemaßnahme war die Kasernierung aller Spieler und Betreuer in einem Hotel in Milwaukee, wo der elfmalige Meister gerade zu Gast gewesen war. »Eine Woche ganz allein in einem Hotelzimmer. Da wird man nach ein paar Tagen schon ein bisschen verrückt«, berichtete Werfer Adam Wainwright beim Ligakanal »MLB Network« Anfang August direkt aus der Qurantäne. »Aber habt bloß kein Mitleid mit mir! Ich lebe meinen Traum, spiele in der MLB und wohne gerade in einem noblen Hotel. Meine Frau hat ja auch kein Mitleid mit mir, sie ist gerade allein mit unseren fünf Kindern zu Hause.« Fit hielt sich Wainwright, in dem er einen Baseball täglich Hunderte Male auf sein Kopfkissen warf.

Doch die Quarantäne wurde zu schnell aufgehoben. Nach gut einer Woche wurde wieder gemeinsam im Team trainiert und schnell tauchten neue Coronafälle auf. Offenbar nutzten bei der Inkubationszeit von bis zu 14 Tagen auch fünf Testserien nicht, um den Virus überall aufzuspüren. So fielen in der noch verlängerten Auszeit insgesamt 14 Spiele aus. Um vor der Rückkehr so lange wie möglich voneinander getrennt zu bleiben, reisten Spieler und Trainer sogar mit 40 Mietautos die fünf Stunden einzeln von St. Louis nach Chicago, anstatt gemeinsam im Bus oder dem Flugzeug. Doch just als das Team am vergangenen Wochenende wieder zu spielen begann, vermeldeten die Cincinnati Reds ihren ersten Fall während der Saison.

Das Virus ist überall

Da es vorerst nur bei dem einen Spieler blieb, kam Cincinnati schon nach vier Tagen zurück. Die Lehre, die man aus dem Fall der Cardinals hätte ziehen können, wird eindeutig ignoriert. Auch bei den zwei neuen Fällen der New York Mets, die nur zwei Partien am Donnerstag und Freitag gegen Miami und den Stadtrivalen New York Yankees ausfallen ließen. Werden die anderen Teamkollegen negativ getestet, soll schon an diesem Sonnabend wieder gespielt werden. Und das in der Stadt, die seit dem Frühjahr mit mehr als 23 000 Corona-Toten vermutlich härter getroffen wurde als jede andere weltweit.

Die Serie der Corona-Fälle nimmt kein Ende. Im Grunde hätte der MLB das klar sein müssen, denn jedes der 30 Teams hatte vor dem Saisonstart bereits mindestens einen positiven Coronafall zu verzeichnen gehabt. Das allein zeigt, wie das Virus in den USA grassiert. Die MLB trägt nun potenziell sogar zur weiteren Verbreitung bei.

Längst drängt sich aber der Eindruck auf, dass Liga ihre Saison unbedingt durchziehen will. Wenn es sein muss, auf dem Rücken der Spieler. Die St. Louis Cardinals zum Beispiel sollen nun 53 Spiele in 42 Tagen absolvieren. Ja richtig, das sind mehr Spiele als Tage bis zu den Playoffs übrig sind. 14 Doppelspieltage wurden ihnen in den Kalender gedrückt, um bis Ende September noch alle ausgefallenen Partien nachzuholen. Da Baseball kein Ausdauersport ist, ein Spielzug selten mal zehn Sekunden dauert, bevor für 20 Sekunden wieder alle mehr oder weniger rumstehen, ist das möglich, selbst wenn eine Partie im Schnitt gut drei Stunden andauert.

Das größte Problem aber sind die Pitcher, die Werfer. Starter wie Adam Wainwright werfen im Schnitt 90 mal pro Partie, bevor sie ausgewechselt werden und vier Tage Pause bekommen, bis sich die lädierten Gelenke in Ellenbogen und Schulter erholt haben. Jetzt aber müssen zumindest die Pitcher aus St. Louis entweder mehr werfen oder weniger Erholung und damit Verletzungen riskieren, die das Karriereende nach sich ziehen können. Unendlich viele Auswechselspieler haben die Cardinals nicht, schon gar nicht unendlich viele gute, mit denen sie Spiele gewinnen können.

Und sie wollen gewinnen. Stand Freitag lagen sie auf dem letzten Playoff-Rang, den sie verteidigen wollen. Doch was passiert, wenn die nächsten Spieler positiv getestet werden? Was, wenn dann nicht mehr genügend Zeit übrig ist, um die Hauptrunde zu Ende zu spielen? Darauf weiß noch niemand eine Antwort.

Ein Drohung vom Ligaboss

Anstatt den Sinn seines Tuns zu hinterfragen, schob MLB-Commissioner Rob Manfred die Schuld an den Ausbrüchen schnell den Spielern zu. Ende Juli warnte er, wenn diese sich nicht an die Hygieneregeln halten würden, dann würde er die Saison abbrechen und die Baseballer würden viel Geld verlieren. »Die Spieler müssen sich bessern. Es gibt keinen Grund aufzugeben. Wir müssen uns zwar immer neu anpassen, aber es ist machbar«, behauptete Manfred gegenüber ESPN.

Cardinals-Manager John Mozeliak riet am Donnerstag, einen anderen Weg einzuschlagen. Keinen der Angst, sondern einen des Vertrauens. Um Ausbrüche unter Kontrolle zu bringen, müssten die Betroffenen »ehrlich und transparent« über ihre Kontakte reden. »Was man jetzt im Sport sieht, ist aber eher öffentliches Bloßstellen: ›Oh, du hast die Krankheit ins Team gebracht!‹ Dann verschließen sich Leute, wenn sie doch offen sein müssten«, berichtete Mozeliak von den Problemen in St. Louis. »Mein Rat ist: Zeigt nicht mit Fingern auf die Betroffenen! Sonst können wir die Ausbrüche nicht stoppen.«

Mit seiner Drohung in Richtung der Spieler steht MLB-Boss Rob Manfred ohnehin auf wackligen Beinen. Im 113 Seiten langen MLB-Hygieneplan steht nirgendwo, dass die Spieler in Quarantäne bleiben müssten. Der Kontakt zur Außenwelt ist ihnen nicht verboten. Und damit auch nicht der unwissentliche Kontakt zu Corona-Infizierten. Manfred hatte im Frühjahr vehement ein abgeschlossenes Turnier abgelehnt. Die Teams seien zu groß, die Saison zu lang - alles nicht praktikabel im Baseball. Nun sollte er auch die Konsequenzen tragen. Die Spieler tun das sowieso.

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