NBA-Streik gegen Rassismus und Polizeigewalt

NBA-Basketballer boykottieren Playoff-Spiel nach neuem Fall von Polizeigewalt in den USA

Chris Paul blieb höflich. Der Basketballstar aus Oklahoma fiel Fernsehreporterin Stephanie Ready nach seinem Sieg gegen Houston nicht direkt ins Wort. Ihre Frage, wie es sein Team schaffte, die NBA-Achtelfinalserie zum 2:2 auszugleichen, wollte er aber wirklich nicht beantworten. »Keine Ahnung, das läuft schon alles«, sagte er nur, um dann darüber zu reden, was ihn an diesem Montagabend wirklich bewegte. »Ich fühle mit Jacob Blake und seiner Familie. Wir kamen vor ein paar Monaten hierher, um zu spielen, aber auch um soziale Ungerechtigkeiten anzuprangern. Für uns Schwarze ist das, was im Land passiert, einfach nicht richtig. Das Spiel ist schön und gut. Aber wählen zu gehen, das ist wichtiger.«

Spieler boykottieren Spiel

Seit die NBA Ende Juli in einer Turnierblase in Florida ihre Saison zu Ende spielt, gab es dort viele Antirassismusaktionen. Fast alle Spieler knien bei der Hymne. Sie tragen »Black Lives Matter«-Shirts und haben statt ihrer Namen Worte wie »Gleichberechtigung« in ihrer jeweiligen Muttersprache über ihrer Rückennummer stehen. Nun, da mit dem Playoff-Start wieder der Sport in den Mittelpunkt rücken sollte, reden Athleten und Trainer aber doch wieder mehr über rassistische Polizeigewalt in den USA. Auslöser war diesmal ein Video mit Polizisten, die in Wisconsin dem Afroamerikaner Jacob Blake siebenmal in den Rücken schossen, während seine Kinder alles mit ansehen mussten. Auch Utahs Donovan Mitchell begann seine Pressekonferenz damit, über etwas zu sprechen, das »größer ist als ein Spiel. Wir fühlen uns einfach nicht sicher. Das ist unentschuldbar«, sagte er.

Fred VanVleet, Aufbauspieler der Toronto Raptors brachte dann sogar einen Boykott ins Spiel: »Ich hatte mich aufs Viertelfinale gegen Boston gefreut. Aber es fühlt sich so an, als würde sich wieder nichts ändern.« Man habe gewusst, dass die Polizeigewalt nicht einfach aufhöre, ob man nun spiele oder nicht. »Aber die Frage mal aufzuwerfen, ob wir überhaupt spielen, übt Druck aus« so VanVleet. Irgendwann sei es notwendig, auch tatsächlich etwas zu riskieren. Einfach weiter Basketball zu spielen, hält er für eine Beruhigungspille.

Als VanVleet mit seinen Kollegen aus Toronto noch debattierte, ob sie am Donnerstag zu ihrem ersten Viertelfinalspiel gegen die Boston Celtics antreten würden, machte eine andere Mannschaft Nägel mit Köpfen: »Die Milwaukee Bucks haben entschieden, ihr Spiel zu boykottieren«, twitterte der stets sehr gut informierte ESPN-Experte Adrian Wojnarowski kurz vor der fünften Achtelfinalpartie der Bucks gegen Orlando. Milwaukee liegt keine Autostunde von Kenosha entfernt, wo Jacob Blake angeschossen worden war. Es ist der erste Boykott einer Mannschaft in einer der großen US-Profiligen. Wenige Stunden später wurden auch die anderen beiden Partien des Abends zwischen Oklahoma City und Houston, sowie den Los Angeles Lakers und Portland abgesagt, weil die Spieler nicht antreten wollten. Wann die Spiele nachgeholt werden, stand zunächst nicht fest.

Nicht nur in der NBA sprechen einige Athleten kaum noch über den Sport. Die Berliner Basketballerin Satou Sabally, die vor ein paar Wochen ihr WNBA-Debüt gegeben hatte, weigerte sich am Dienstagabend Fragen zu ihrem Spiel zu beantworten, obwohl sie mit 28 Punkten gerade einen neuen persönlichen Rekord aufgestellt hatte. »Im Moment können wir das nicht genießen. Es passieren viele Dinge in diesem Land, auf die wir den Fokus legen müssen«, sagte die schwarze deutsche Nationalspielerin von den Dallas Wings. Auch sie spielt derzeit in einer »Corona-Blase«, würde aber lieber demonstrieren gehen, wie sie am Mittwochmorgen twitterte.

Die Footballprofis der Detroit Lions aus der NFL sagten am Dienstag ihr Training ab und versammelten sich stattdessen um eine Tafel mit den Aufschriften: »Wir werden nicht schweigen« und »Die Welt kann nicht einfach weitermachen«. Verteidigungsspezialist Duron Harmon berichtete, dass man als Team gemeinsam beschlossen habe, »dass Football heute nicht mehr wichtig ist. Wir haben eine Plattform, auf der wir nicht nur das Bewusstsein schärfen, sondern auch Veränderungen bewirken können.« Baseballer Jack Flaherty aus St. Louis spielte zwar am Montag, sagte danach aber: »Nur weil der Sport wieder zurück ist, darf die Debatte über Rassismus nicht enden.«

Frust über republikanische Politiker

Am eindringlichsten aber waren die Worte von Doc Rivers. Der Trainer der Los Angeles Clippers aus der NBA nahm am Dienstag Bezug auf den laufenden Parteitag der Republikaner von US-Präsident Donald Trump: »Die verbreiten nur Angst«, sagte Rivers. Tatsächlich sprach noch kein Parteitagsredner über Jacob Blake. Stattdessen wird durch die Blume davor gewarnt, dass Schwarze in weiße Vororte ziehen und Gewalt mit sich bringen würden. »Die reden über Angst. Dabei wird uns verwehrt, in guten Gegenden zu leben. Und wir sind es, die erschossen werden«, sagte Rivers, bevor Tränen seine Stimme erstickten. »Mein Vater war Polizist. Ich glaube an gute Polizisten. Aber sie müssen uns endlich alle beschützen«, fuhr Rivers fort. »Welcher weiße Vater muss seinem Sohn schon sagen, er solle vorsichtig sein, wenn er von der Polizei angehalten wird?«

Dieser Artikel wurde aktualisiert. In der ursprünglichen Version war noch kein Boykott von Spielen in der NBA beschlossen worden.

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