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Die Hörner sollen weg
In der Rinderhaltung ist das Gehörn der Tiere meist buchstäblich im Weg. Bei der Zucht hornloser Rinder wird auch Gentechnik eingesetzt.
Wer einen Blick in einen großen Kuhstall wirft, sieht in der Regel Kühe ohne Hörner. Denn in der modernen Nutztierhaltung gibt es mit hornlosen Rindern weniger Verletzungen - sowohl bei Artgenossen als auch bei Menschen, argumentieren Tierhalter. Außerdem passen mehr Tiere in einen Stall - das spart Kosten.
Schon seit dem ausgehenden Mittelalter werden deshalb meist schon bei den Kälbern die Hörner bzw. die Anlagen dazu entfernt. Eine Alternative zu den nicht unumstrittenen Enthornungsverfahren ist die Zucht hornloser Rinder. Bisher geschah dies mit konventionellen Züchtungsverfahren. Doch 2013 setzte das US-Unternehmen Recombinetics aus Minneapolis ein neuartiges gentechnisches Verfahren ein: Wissenschaftler der Firma veränderten das Genom von Holstein-Bullen mit sogenannten Talen-Nukleasen, einer »Gen-Schere«. Damit wurden an definierten Erbgut-Stellen zehn DNA-Buchstaben (Basen) gelöscht, um 212 neue hinzuzufügen. Im Ergebnis bildeten die Holstein-Rinder keine Hörner mehr aus.
Für die Veränderung verwendeten die Genetiker bakterielle Mini-Chromosomen (Plasmide), die die neue DNA transportieren, selbst aber nur vorübergehend in den Rinderzellen bleiben sollten. Die beiden 2015 aus modifizierten Hautzellen im Klon-Verfahren gezeugten Bullen Buri und Spotigy waren genetische Kopien der ursprünglichen Bullen - mit dem einzigen Unterschied, dass sie keine Hörner bildeten. Sie galten als Vorzeigerinder der Gentechnik-Forschung. Während Spotigy getötet wurde, um seine Gewebe zu analysieren, blieb Buri am Leben, um 17 Nachkommen zu zeugen, die in Einrichtungen der Universität von Kalifornien in Davis und einer Farm in Australien leben.
Ihre genveränderten hornlosen Rinder hatten die Forscher als »Botschafter einer neuen Ära der besseren molekularen Landwirtschaft« angepriesen. Die Rinder seien zu 100 Prozent genetisch rein, hieß es zunächst. Und: »Das gleiche Ergebnis könnte durch die Zucht auf dem Bauernhof erzielt werden.«
Später jedoch sahen sich Wissenschaftler der zuständigen US-Zulassungsbehörde (FDA) die Genomsequenz eines der Gentech-Bullen genauer an. Sie entdeckten bakterielle DNA, darunter auch ein Gen, das Antibiotikaresistenz verlieh: Anscheinend war ein Teil des eingeschleusten bakteriellen Erbguts entgegen der Absicht im Rindergenom geblieben. Man habe versäumt, zu überprüfen, ob Bakterien-DNA im Rinderorganismus geblieben ist, räumt Tad Sontesgard, Geschäftsführer von Recombinetics/Acceligen ein. Dieses Versäumnis warf das Unternehmen, das darum bemüht war, Genbearbeitungen in der Tierzucht zur Routine zu machen, um Jahre zurück.
Ihre Technologie - so Recombinetics/Acceligen auf der Firmen-Website - soll es ermöglichen, schneller und präziser leistungsfähige Nutztiere zu züchten ohne dabei die genetische Vielfalt zu beeinträchtigen. Zu den neuesten »Erfindungen« gehören zum Beispiel hitzeresistente Rinder oder Schweine, die keine Pubertät mehr durchlaufen. Doch das Editieren von Genen ist offenbar längst nicht so zuverlässig und vorhersehbar, wie von ihren Befürwortern behauptet wird.
Bei der Suche nach Gendefekten bei gentechnisch veränderten Tieren werde meistens mit unzureichenden Methoden gearbeitet, obwohl wesentlich bessere zur Verfügung stehen, kritisieren die FDA-Wissenschaftler um Alexis Norris im Fachjournal »Nature Biotechnology« (DOI: 10.1038/s41587-019-0394-6). Bei dem gefundenen Fehler dürfte es sich kaum um einen Einzelfall handeln. Der FDA-Befund unterstreicht die Bedeutung von Screening-Methoden, mit deren Hilfe die unbeabsichtigte Integration von Genmaterial nachgewiesen werden könne.
Problematisch für die Befürworter ist zudem, dass die FDA gentechnisch veränderte Tiere als neue Medikamente einstuft, die umfangreicher Tests bedürfen. Recombinetics protestierte gegen die Entscheidung der FDA, bisher allerdings weitgehend wirkungslos.
Im Jahr 2014 stellte das Unternehmen einen Patentantrag auf seine gentechnisch hornlos gezüchteten Rinder und das Verfahren. Dieser wurde unlängst vom Europäischen Patentamt (EPA) abgelehnt. Kurz zuvor waren vom EPA bereits zwei Patente auf gentechnisch veränderte Menschenaffen aus ethischen Gründen abgelehnt worden. Möglicherweise hat dies das Patentverfahren zur gentechnischen Hornlosigkeit beeinflusst. Allerdings sei nicht auszuschließen, dass der Patentantrag irgendwann wieder aufgenommen wird, warnt das Umweltinstitut München.
Eine Patentierung von gentechnisch veränderter Hornlosigkeit hätte weitreichende Folgen: Zum einen wären die Erfolge der jahrelangen Zuchtarbeit von Hornlosigkeit bei Rindern obsolet. Zum andern besteht die Gefahr, dass auch hornlose Rinder aus herkömmlicher bäuerlicher Züchtung stammen, unter das Patent fallen.
Grundsätzlich sollten auf Lebewesen keine Patente erteilt werden: Zu groß ist das Risiko, dass sich eine Handvoll Konzerne das Erbgut von Tieren und Pflanzen und damit die Grundlagen unserer Ernährung aneignen.
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