Gemeinmachen

Netzwoche: Wie sollen Journalisten über die Klimakrise berichten?

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Dürfen die das? Die Taz überlässt die Gestaltung ihrer Freitagsausgabe anlässlich des globalen Klimastreiktages 50 Aktivisten, darunter von Fridays for Future, Ende Gelände aber auch aus klassischen Umweltverbänden. Solche Gastspiele haben in dem Medienhaus schon länger Tradition. 2004 durfte der damalige »Bild«-Chef Kai Diekmann die sogenannte »Feindes-taz« mitgestalten, später gab es immer wieder Gast-Redakteure aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen – nun also auch aus der Klimabewegung.

Als die »taz« ihre Spezialausgabe ankündigte, war absehbar, dass sich Medienmacher zu Wort melden würden, die die Unabhängigkeit im Journalismus gefährdet sehen. »Welt«-Chefredakteur Ulf Poschardt erklärte via Twitter, sowohl »taz« als auch das Magazin »Stern«, das für seine aktuelle Ausgabe ebenfalls mit Fridays for Future zusammenarbeitete, würden nur transparent machen, »was längst auch in zig anderen Redaktionen inoffiziell passiert: die Kernfusion von Klimajournalismus und Klimaaktivismus.«

Dass sich ausgerechnet Poschardt empört, ist nicht frei von Ironie. 2003 war Modedesigner Karl Lagerfeld Gast-Chefredakteur bei der »Welt am Sonntag« für eine Schwerpunktausgabe über Luxus, 2017 gab es eine ähnliche Aktion mit dem Modeschöpfer Jean Paul Gaultier. 2019 erschien schließlich eine »Welt«-Ausgabe über die Mobilität der Zukunft, mitgestaltet von Volkswagen-Chef Herbert Diess. Dafür handelte sich die Zeitung eine Missbilligung durch den Presserat ein. Poschardt konterte damals, es sei »reizvoll gewesen«, den VW-Chef mit an Bord zu haben, da der Konzern eine herausragende Rolle für die zukünftige Mobilität spiele. Passenderweise hatte Volkswagen in besagter Ausgabe mehrere Anzeigen geschaltet.

Konzernchefs den roten Teppich ausrollen war also in Ordnung, im Fall von Klimaaktivisten ist es dies aber nicht? Der Vorwurf des »Welt«-Chefs berührt allerdings noch einen weiteren Punkt: Poschardt deutet an, in vielen Redaktionen hätte sich die Sicht von Klimaaktivisten längst durchgesetzt, ganz egal, ob sie unmittelbar mit an einer Redaktionskonferenz teilnehmen.

Passend dazu hatte die Journalistin Sara Schurmann bereits Anfang September einen offenen Brief veröffentlicht, der dazu aufruft, dass Redaktionen die Klimakrise endlich ernst nehmen müssten. Die Stellungnahme wurde unter anderem bei uebermedien.de veröffentlicht, mehr als 50 Medienmacher unterstützten den Aufruf schon zu Beginn. In dem Brief wird auch sehr konkret auf die Frage nach der Unabhängigkeit und Objektivität von Journalismus eingegangen: »Viele Journalist:innen betonen zu Recht den Unterschied von Aktivismus und Journalismus. Aber die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels als vierte Gewalt zu kontrollieren, ist kein Aktivismus«, heißt es. Es reiche nicht aus, nur das Versagen der Politik zu protokollieren.

»Die Klimakrise ist akut bedrohliche Realität. Diese Realität immer wieder möglichst akkurat abzubilden und Politik und Gesellschaft vorzuhalten, ist Aufgabe des Journalismus und unsere zentrale Funktion innerhalb der demokratischen Meinungsbildung.«

Ralf Nestler widersprach ebenfalls via uebermedien.de. »Leser, Hörerinnen und Zuschauer haben ein Gespür dafür, wenn sie nicht nur informiert und unterhalten werden, sondern wenn sie behandelt werden, als seien sie ein bisschen dumm und ihnen müsste noch etwas beigebracht werden«, schreibt der Wissenschaftsjournalist. Lasse sich der Journalismus auf diese Masche ein, verliere er seine Glaubwürdigkeit. »Den schrillen Ton sollte er den Aktivisten überlassen.«

Eine Belehrung ihrer Leser dürfte im Fall der »taz« nicht das Problem sein. Dass die Klimakrise das dringendste gesellschaftliche Problem ist, dürfte hier Konsens sein. Insofern ist eher die Frage, wen die Redaktion mit der Aktion erreichen will.

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