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Studenten trotzen Orbán

Budapester Hochschule für Film und Theater besetzt, um gegen Verlust von Autonomie zu kämpfen

  • Edmond Jäger
  • Lesedauer: 4 Min.

Rotes Absperrband flattert vor dem Eingang der Budapester Hochschule für Film und Theater (SZFE), Transparente hängen unter den Fenstern. Vor dem Eingang halten Studenten Wache und gewähren nur Kommilitonen und Dozenten Zutritt. Der Studentenprotest richtet sich nicht gegen das zunehmend autoritäre Regime des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, sondern speziell gegen dessen Bestrebung, die Autonomie der Hochschule abzuschaffen.

Seit dem 1. September ist die Universität von den Studenten besetzt. Sowohl die Besetzung als auch die Lehre werden von einer neuen »Lehrrepublik« (Tanköztársaság), was im Ungarischen so ähnlich klingt wie Räterepublik (Tanácsköztársaság), organisiert. Ihr gehören Studenten und Dozenten als »Bürger« an. Das höchste Entscheidungsgremium ist die Vollversammlung aller Bürger.

Dóra Gálosi ist eine Bürgerin der Lehrrepublik und Mitglied im Kommunikationsteam. Die Autonomie der SZFE sieht sie durch den Transfer in eine Stiftung gefährdet, deren Leitung vom Minister für Innovation und Technologie, László Palkovics, eingesetzt wurde. Dies sei ohne Rücksprache mit Dozenten und Studenten der Universität geschehen, ein Schritt, den die Studenten nicht akzeptieren wollen, kritisiert sie gegenüber »nd«. Bisher war die Hochschule staatlich und wurde unter Mitwirkung eines Senats geführt, in welchem Dozenten und Studenten Mitwirkungsmöglichkeiten besaßen.

Den neuen Leiter der Universität hat die Stiftung bereits ernannt: Attila Vidnyánszky. Er hat es unter Orbán aus einem kleinen Provinztheater an die Spitze des »Nationalen Theaters« in Budapest gebracht und soll nun auch die SZFE übernehmen. Er gilt, wie das bei allen Ernannten der Regierung Orbán im Kulturbereich der Fall ist, als strammer Nationalist. Besetzerin Dóra Gálosi hält sich mit Kritik an der politischen Richtung Vidnyánszkys zurück. Auch gegen Veränderungen sträubten sich die Studenten nicht, wie Vidnyánszky öffentlich behauptet hatte. Beklagt wird lediglich, dass alles über ihre Köpfe hinweg beschlossen worden sei.

Die neue Lehrrepublik wird von vielen für eine demokratische Insel in einem autoritären Sumpf gesehen. Das zeigt die große Solidarität. Schon die Eingangskontrolle wird zu Solidaritätsbekundungen genutzt, wenn prominente ungarische Künstler hier Wache schieben. Dóra Gálosi ist gerührt angesichts der großen Solidarität vor Ort und in aller Welt: »Es vergeht kein Tag, an dem nicht Leute vorbeikommen und uns mit Worten, Essen oder Geldspenden helfen. Aus allen Ecken der Welt erreichen uns solidarische Worte oder Fotos.« Die Frage, ob aus ihrer Bewegung heraus ein Systemwechsel in Ungarn erfolgen kann, beantwortet Dóra Gálosi ausdrücklich nicht und betont immer wieder, dass es der Protestbewegung nicht um Politik, sondern um die Autonomie ihrer Hochschule gehe. Dass ihre Sympathisanten dies auch so sehen, ist fraglich, denn viele Ungarn sehnen sich demokratische Veränderungen herbei.

In Orbáns illiberalem Regime ist weder Platz für unabhängige Hochschulen noch für freie Medien. Ein kritisches Medium nach dem anderen wurde in den vergangenen Jahren beseitigt - ob Zeitungen, Onlineportale oder Radiosender. Auch unter den Universitäten wird nun in Orbáns Sinne aufgeräumt. Vor zwei Jahren erließ die Parlamentsmehrheit der Regierungsparteien eigens ein Gesetz, das der privaten US-amerikanischen Central European University (CEU) die Tätigkeit in Ungarn verbot. Sie galt der rechtspopulistischen Regierung als Brutstätte liberaler und linker Opposition. Neugründungen von Hochschulen fügen sich dagegen in die illiberale Ausrichtung des Orbán-Regimes ein. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass die Shanghaier Universität Fudan 2024 in Budapest einen Campus eröffnen wird. Kritik seitens entsandter chinesischer Dozenten wird Orbán wohl kaum fürchten müssen.

Die Redemokratisierung Ungarns und der Hochschulen hängen untrennbar zusammen. In der regierungsnahen Zeitung »Magyar Nemzet« stellt ein Kommentator die Studenten gar in eine Reihe mit den Revolutionären der ungarischen Räterepublik. Nur die Studenten der SZFE scheinen das noch nicht mitbekommen zu haben. Sie konzentrieren sich auf die demokratischen Insel, die sie vorerst erobert haben und mit rotem Absperrband verteidigen.

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