DFB unter Betrugsverdacht

Ermittlungen gegen Fußballverband und Funktionäre wegen schwerer Steuerhinterziehung

  • Frank Hellmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Polizei hatte ein schweres Dienstfahrzeug neben die Feuerwehrzufahrt am Ende der Otto-Fleck-Schneise abgestellt. Beamte mit Mundschutz riegelten bereits die Zufahrt zum Parkdeck beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) ab. Während rund 20 Reporter, Kameraleute und Fotografen gehörigen Sicherheitsabstand wahrten, zückten drei Personen nur kurz ihren Dienstausweis, um Zutritt zu erhalten: im Schlepptau ein Koffer mit der Aufschrift »Hessische Finanzverwaltung«. Zahlreiche Kollegen der Steuerfahndung, des Bundeskriminalamtes und der Bundespolizei befanden sich zu diesem Zeitpunkt bereits im DFB-Gebäude. Einige davon kamen mit Schutzwesten und Schusswaffen aus der automatischen Drehtür.

Am Mittwochmorgen spielten sich im Frankfurter Stadtwald Szenen ab, die bei der Bekämpfung der Clankriminalität, von Drogengeschäften oder Geldwäsche verortet werden, nicht aber beim weltweit größten Einzelsportverband, der den Fußball gerne als das letzte große Lagerfeuer der Gesellschaft beschreibt. Nun aber steht das eigene Haus mal wieder in Flammen, denn die Frankfurter Staatsanwaltschaft - Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftsstrafsachen - ermittelt wegen des Verdachts der schweren Steuerhinterziehung. Wie Oberstaatsanwältin Nadja Niesen mitteilte, soll der DFB Körperschafts- und Gewerbesteuern in besonders schweren Fällen hinterzogen haben. Im Fokus stehen sechs ehemalige beziehungsweise gegenwärtige Verbandsverantwortliche. Ihnen wird zur Last gelegt, »Einnahmen aus der Bandenwerbung von Heimländerspielen der Nationalmannschaft aus den Jahren 2014 und 2015 bewusst unrichtig als Einnahmen aus der Vermögensverwaltung erklärt zu haben«. Damit entging der DFB einer Besteuerung in Höhe von etwa 4,7 Millionen Euro.

Skandale beim Deutschen Fußball-Bund

Die Schlammschlacht
Im Juni 2014 forderte das DFB-Präsidium den ehemaligen Verbandschef Theo Zwanziger öffentlich zum Rücktritt aus der Fifa-Exekutive auf. Vorausgegangen war eine Serie öffentlicher Attacken von Zwanziger gegen seinen Nachfolger Wolfgang Niersbach. Zwanziger folgte der Forderung nicht und beendete seine Tätigkeit planmäßig erst 2015.

Das Sommermärchen
Die Aufarbeitung der Vergabe der WM 2006 an Deutschland läuft weiterhin. Der damalige DFB-Präsident Wolfgang Niersbach trat Ende 2015 zurück. Warum 6,7 Millionen Euro zum katarischen Skandalfunktionär Mohamed bin Hammam flossen, ist bis heute ungeklärt. Der Vorwurf des Stimmenkaufs steht noch immer im Raum. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft ermittelt weiterhin wegen Steuerhinterziehung.

Die Luxusuhr
Im April 2019 trat DFB-Präsident Reinhard Grindel zurück. Er hatte von einem ukrainischen Oligarchen illegalerweise eine Luxusuhr angenommen. Ein vermeintlich verschleiertes Zusatzeinkommen beim DFB in Höhe von 78 000 Euro hatte den Druck erhöht. Erst kürzlich gestand Grindel sein Fehlverhalten offen ein. nd/Agenturen

Insgesamt waren 200 Beamte im Einsatz, die auch in Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz Wohnhäuser durchsuchten. Nach Informationen der »Bild« bekamen Ex-Präsident Reinhard Grindel, Ex-DFB-Vizepräsident Reinhard Rauball, Vizepräsident Rainer Koch, Ex-Generalsekretär Helmut Sandrock, Schatzmeister Stephan Osnabrügge und Generalsekretär Friedrich Curtius Besuch der Steuerfahnder. Obwohl Wolfgang Niersbach bis November 2015 als Präsident dem DFB vorstand, blieb er nach eigener Aussage verschont. Er habe auch ansonsten »keinerlei Kenntnis«.

Den um Transparenz bemühten aktuellen DFB-Präsidenten Fritz Keller, ein Jahr im Amt, treffen die Vorfälle deshalb ins Mark, weil er gegenüber seinen Vorgängern arg in seinen Befugnissen beschnitten ist. Koch und Curtius sind für ihn die wichtigsten Strippenzieher. Keller kündigte sogleich an, die Ermittlungen »allumfänglich unterstützen« zu wollen. »Ich bin für Aufklärung, um eine saubere Zukunft für den Fußball zu haben«, sagte er.

Der komplizierte Sachverhalt betrifft das Thema Bandenwerbung, wo gerade erst die Zusammenarbeit mit dem Vermarkter Infront mit einigem Getöse in die Brüche ging. Per Vertrag vom 11. Dezember 2013 soll der DFB die Rechte zur Vergabe der Werbeflächen bei Länderspielen der Nationalmannschaft zwischen 2014 bis 2018 an eine Gesellschaft in der Schweiz verpachtet haben, teilte die Staatsanwaltschaft mit.

Diese soll sich aber verpflichtet haben, die Exklusivität des Generalsponsors (Mercedes) und des Generalausrüsters (Adidas) zu berücksichtigen - und keine Rechte an Konkurrenten zu vergeben. Somit hätte der DFB trotz Verpachtung der Rechte »aktiv bei der Vergabe der Bandenwerbeflächen mitgewirkt«. Dann aber wären diese Einnahmen nicht der steuerfreien Vermögensverwaltung zuzurechnen, sondern dem steuerpflichtigen Geschäftsbetrieb des eingetragenen Vereins DFB. Der Verdacht: Die Beschuldigten wählten dieses Vorgehen bewusst, um dem DFB einen großen Steuervorteil zu verschaffen. Die Unterschrift unter Steuerklärungen setzen Präsident, Generalsekretär und Schatzmeister. Was wusste der damalige Schatzmeister Grindel? Was fädelte der frühere Generalsekretär Sandrock ein? Wovon hatten die auf Niersbach folgenden Interimspräsidenten Koch und Rauball Kenntnis? Welche Rolle spielten der heute bei der TSG Hoffenheim tätige Marketingdirektor Denni Strich und der ehemalige Finanzchef Stefan Hans?

Dass die Steuerfahnder genau am Tag des Länderspiels Deutschland gegen Türkei aufschlugen, sei kein Zufall, heißt es: So war sichergestellt, dass hochrangige Funktionäre bereits im Spielort Köln weilten. Harald Stenger, ehemaliger DFB-Mediendirektor, findet es »hochinteressant, wer betroffen ist«, will aber auch »mit aller Vorsicht fragen«, ob der mediale Rummel sogar gewollt sei. Ein öffentlichkeitswirksamer Vorstoß gegen Sportfunktionäre ist das Vorgehen allemal. Stenger sieht einen »weiteren schweren Imageschaden« für seinen ehemaligen Arbeitgeber und gibt zu bedenken, dass »selbst beim Sommermärchenskandal nicht so viele Beamte in so vielen Bundesländern im Einsatz waren«.

Vom DFB war bis auf Kellers Aussage zunächst wenig zu hören. Erst am 1. Oktober hat Mirjam Berle ihren neuen Job als Direktorin Medien und Fans angetreten. Die neue Kommunikationschefin soll »Imagebildung, strategische Entwicklung und Positionierung des Verbandes und seiner Tochterunternehmen in der öffentlichen Wahrnehmung« voranbringen. Jetzt laufen bei ihr Vorfälle auf, die Ansehen und Glaubwürdigkeit des DFB mal wieder tief erschüttern.

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