Schulen bleiben offen bis zum Schluss

Berliner Hygienebeirat will Handlungssicherheit und verbindliche Regeln durch Stufenplan bei Corona-Infektionen schaffen

  • Lola Zeller
  • Lesedauer: 4 Min.

»Das Infektionsgeschehen an den Schulen sehen wir einfach nicht«, sagt Patrick Larscheid, Amtsarzt im Bezirk Reinickendorf. Es gebe keinen Anlass, ganze Schulen für eine oder zwei Wochen in Quarantäne zu schicken oder gar bei steigenden Corona-Infektionszahlen im Land alle Schulen zu schließen. »Schulschließungen gilt es absolut zu vermeiden«, so der Arzt. Kinder und Eltern würden unter diesen zu sehr leiden, aktuelle Daten zu den Infektionsketten machten es nicht nötig.

Der Hygienebeirat Berlin, der sich aus Akteur*innen aus Politik, Medizin und Schulen zusammensetzt, stellt vor diesem Hintergrund einen Stufenplan vor, der das Vorgehen an Schulen nach den Herbstferien Ende Oktober regeln soll. Dort festgehalten sind verschiedene Verhaltensweisen im Falle sich verändernder Infektionszahlen im Umfeld der Schulen, eingeteilt in vier Phasen.

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Zunächst befänden sich alle Schulen in der ersten, der grünen Phase, erklärt Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD). »Niedriges Infektionsgeschehen« ist das Merkmal dieser Stufe, der Regelunterricht soll währenddessen entsprechend der aktuell geltenden Hygieneregeln laufen. Es bleibt bei Lerngruppen, Maskenpflicht außerhalb des Unterrichts innerhalb der Gebäude, sowie regelmäßigem Stoßlüften und Abstand. Scheeres kündigt die Beschaffung von CO2-Messgeräten im Wert von einer Million Euro an, damit an den Schulen erkannt wird, wann es Zeit ist, zu lüften.

Würde das Infektionsgeschehen in die gelbe oder orangene Stufe »Mittleres Infektionsgeschehen« übergehen, bliebe es weiterhin beim Regelbetrieb, Hygienevorkehrungen müssten aber verstärkt werden.

Kein Schul-Lockdown in der roten Phase

Bei »Hohem Infektionsgeschehen«, der roten Stufe, soll der Unterricht im »Alternativszenario« stattfinden. »Das heißt, jede Klasse wird in zwei Gruppen aufgeteilt und befindet sich abwechselnd entweder in der Schule im Präsenzunterricht oder zum Lernen zu Hause«, erklärt die Bildungssenatorin. Auch der Förderunterricht soll weiterhin stattfinden können, freiwillige Angebote wie Arbeitsgruppen oder Religionsunterricht allerdings ab der orangenen Phase nicht. Auch soll in den Schulen ab dieser Stufe die Maskenpflicht auf den Unterricht und auf schattige oder überdachte Orte auf dem Schulhof ausgeweitet werden. Nur in Grundschulen tritt diese Regel erst ab der roten Phase ein.

»Die Entscheidung, um welche Phase es sich handelt, liegt immer bei den Gesundheitsämtern unter Absprache mit der Schulaufsicht«, sagt Scheeres. Es handele sich um eine individuelle Einteilung, die von Schule zu Schule unterschiedlich sein kann. Liegt die Schule also in einem Bezirk mit hohen Infektionszahlen, heißt das nicht, dass sie automatisch in eine der höheren Stufen eingeteilt werde. »Die Gesundheitsämter schauen sich zunächst das Geschehen in der Schule selbst und im Umfeld der Schule an und treffen dann eine Entscheidung«, so die Bildungssenatorin.

Um allen genug Vorbereitungszeit auf den Schulbeginn am 26. Oktober zu geben, habe man den Stufenplan bereits an alle Schulen verschickt, sagt Scheeres. Die Schulaufsichten und Gesundheitsämter würden dann am Donnerstag darauf festlegen, in welche Stufe sie die jeweiligen Schulen einteilen. Eine solche Absprache und Entscheidung des Gesundheitsamts soll zukünftig jeden Donnerstag stattfinden, damit die Schulen immer freitags die entsprechenden Regeln für die folgende Woche ankündigen können.

Überstürzte Schließungen vermeiden

Der Stufenplan soll stattdessen Sicherheit und verbindliche Regeln für alle Beteiligten schaffen. Vor allem sei wichtig, überstürzte Schließungen von Schulen zu vermeiden. »Es gibt keinen Grund, bei zwei Infektionen die ganze Schule in Quarantäne zu schicken«, sagt Scheeres.

Norman Heise, Vorsitzender des Landeselternausschuss, begrüßt die Entscheidung, die Schulen weitestgehend offen zu lassen. »Wenn die Kinder nicht zur Schule können, muss in vielen Fällen auch ein Elternteil zu Hause bleiben, anstatt der Berufstätigkeit nachgehen zu können«, sagt er. Außerdem seien auch die Schulen nicht besser auf einen Lockdown vorbereitet im Frühjahr.

Einige Schulen bereits geschlossen

Alle drei appellieren, sich an die Corona-Regeln zu halten. »Wenn sich Menschen nicht an die Regeln halten, hat das Auswirkungen auf die Bildungsmöglichkeiten unserer Kinder und Jugendlichen«, sagt die Senatorin. Gebe es Positivfälle im Familienumfeld, weil private Feiern oder ähnliches stattgefunden haben, müssten die Kinder und gegebenenfalls ganze Schulklassen in Quarantäne bleiben. »Kinder haben ein Recht auf Gesundheit, Kinder haben aber auch ein Recht auf Bildung«, sagt Mediziner Larscheid. Deshalb sei es »gut und richtig, Schulen zu betreiben, auch wenn wir alles andere zumachen müssen«.

Der Realität entspricht das allerdings momentan noch nicht. Einige Berliner Schulen sind bereits als Reaktion auf gestiegene Infektionszahlen dicht. Auskunft darüber, um wie viele Schulen es sich dabei handelt, konnte der Hygienebeirat nicht geben. »Es handelt sich um 186 geschlossene Lerngruppen, davon 83 in Neukölln«, sagt Martin Klesmann, Sprecher der Bildungsverwaltung. Außerdem befänden sich 259 Schüler*innen und 48 Schulangestellte in Quarantäne.

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