Gazpromkumpel

Schalke-Fans halten selten zum FK Zenit, am Mittwoch schon

  • Sven Goldmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Ist nicht so gut gelaufen für Schalke 04 im Revierderby. 0:3 gegen den BVB - das verspricht keine schöne Woche zu werden für die Fußballfreunde aus Gelsenkirchen, wenn der wichtigste Tag des Jahres in Büro- und Kneipengesprächen mit den lieben Kollegen aus Dortmund aufgearbeitet wird. Vielleicht können es ja die russischen Freunde richten, auch wenn die niemand so nennen mag, jedenfalls nicht jenseits der Nomenklatura.

Zenit St. Petersburg und Schalke 04 werden vom selben Energiemagnaten finanziert. Die russischen Millionen nehmen sie in der Schalker Fankurve gern, aber eine Herzensangelegenheit ist daraus nie geworden. Zenit erscheint den Schalker Fans an der Spitze zu staatsnah und an der Basis zu sehr empfänglich für rassistische Auswüchse. Als die Geschäftsfreunde vom »Futbolny klub« in diesem Frühjahr zur Wiedereröffnung des alten Parkstadions gastieren sollten, rumorte es im Gelsenkirchener Fanvolk. Am Ende grätschte Corona dazwischen.

Zirkus Europa

Früher schlicht Pokal der Landesmeister genannt, ist die Champions League heute inszeniertes Spektakel und Gelddruckmaschine des Fußballs. Ein Blick auf den kommenden Spieltag.

Am Mittwoch aber wird Schalkes Anhang mit Zenit leiden und fiebern wie noch nie. Dann tritt Russlands Meister am zweiten Spieltag der Champions League bei Borussia Dortmund an, und fühlen sich Dortmunder Niederlagen in Gelsenkirchen nicht wie Schalker Siege an? Blöderweise ist Zenit in der Champions League traditionell so konkurrenzfähig wie Schalke zurzeit in der Bundesliga. Das viele Gazprom-Geld wird in Russland bevorzugt für internationale B-Prominenz und alternde Stars ausgegeben. Gas- oder Petrorubel können nicht wettmachen, was die Granden der Fußballwelt unter Patina und Lebensqualität verstehen.

Zuletzt investierte Zenit 20 Millionen Euro in den Brasilianer Wendel von Sporting Lissabon und 12 Millionen in den Kroaten Dejan Lovren, für den in Liverpool kein Platz mehr war. Noch nie hat es ein russischer Klub über das Viertelfinale der Champions League hinaus geschafft. Zenits größte Erfolge waren zwei Achtelfinalteilnahmen, und da war dann jeweils Schluss, 2014 auch mal gegen Borussia Dortmund.

Der sportliche Erfolg in St. Petersburg und Moskau steht in diametralem Gegensatz zu den wirtschaftlichen Möglichkeiten. Dabei wähnten sich die Russen vor gar nicht so langer Zeit als Avantgarde des neuen Europas, als Herausforderer der Restauration. 2008 gewann Zenit St. Petersburg den Uefa-Cup und schickte auf dem Weg dorthin den FC Bayern mit 4:0 über die Ostsee zurück nach München. Ein paar Wochen später stürmte die Nationalmannschaft bei der EM bis ins Halbfinale. Russische Spieler waren auf einmal bei den ganz großen Klubs gefragt. Andrej Arschawin ging zum FC Arsenal, Roman Pawljutschenko nach Tottenham, Juri Schirkow zum FC Chelsea.

Lange her. Die Avantgarde von 2008 wurde schnell bequem, ihre Generation blieb unvollendet. Arschawin ließ seine Karriere in Almaty austrudeln, Pawljutschenko in Jekaterinburg. Schirkow, Russlands Fußballer des denkwürdigen Jahres 2008, ist im Spätherbst seiner Karriere bei Zenit gelandet, er hat vor ein paar Wochen seinen 37. Geburtstag gefeiert und seinen Vertrag noch einmal um ein Jahr verlängert. Der vergleichsweise immer noch gute Uefa-Koeffizient gesteht den russischen Klubs auch in diesem Jahr drei Startplätze in der Champions League zu. FK Krasnodar, der große Unbekannte vom Kuban, schaffte zum Auftakt immerhin ein 1:1 gegen Stade Rennes. Die weiteren Gruppengegner heißen FC Chelsea und FC Sevilla. Lokomotive Moskau eroberte ein 2:2 bei RB Salzburg, am Dienstag geht es weiter gegen Bayern München. Ein hoher Sieg ist eher nicht zu erwarten. Und Zenit St. Petersburg? Startete vor einer Woche mit einem 1:2 gegen den FC Brügge und legte am Wochenende in der heimischen Premijer Liga ein 1:2 gegen Rubin Kasan nach. Schalkes Fans sollten nicht zu viel Hoffnung investieren in eine Kompensation für die Demütigung im Revier-Derby.

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