Hausbesetzung in Dresden ist vorbei

Jugendliche übernahmen »Schanzi« in Neustadt

  • David Muschenich
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Gruppe »Leerstandsbewohner*innen« wertet ihre Besetzung der Schanzenstraße 3 in Dresden als Erfolg, obwohl das Haus nun wieder leer steht. In den drei Tagen der Besetzung sei ein Ort der Begegnung entstanden, mit Konzerten und Feuertonne im Garten, erklärten die jugendlichen Besetzer*innen gegenüber »nd«. Vergangene Woche beendete die Polizei die Besetzung. Die Eigentümer*innen hatten Anzeige wegen Hausfriedensbruch erstattet. Doch weil niemand im Haus war, als die Polizei es sicherte, nahm sie auch niemanden fest. Die Besetzer*innen geben das Haus aber noch nicht auf und wollen nun den Eigentümer*innen ein Nutzungskonzept übermitteln.

Auf Twitter schrieben die »Leerstandsbewohner*innen«, sie möchten zeigen, dass »sich auch jugendliche Aktivist*innen für das Thema Wohnnotstand interessieren und bereit sind, die Sache selbst in die Hand zu nehmen«. Und das taten sie am 17. Oktober, als sie die »Schanzi« in der Dresdener Neustadt besetzten. Ulli Ungehorsam, Sprecher*in der Jugendgruppe mit ausgedachtem Namen, erzählt, dass viele Nachbar*innen sie unterstützt hätten. Sie hätten Essen vorbeigebracht und »sich solidarisch« gezeigt. »Ich glaube, das ganze Hechtviertel fühlt das Thema Wohnungsnotstand sehr.« Während der Besetzung seien zeitweise mehr als hundert Menschen vor der »Schanzi« gewesen. Die Leute hätten dann von selbst angefangen, Platz zu schaffen, so dass am Abend Bands unter freiem Himmel spielen konnten.

Die Eigentümer*innen wollten der Jugendgruppe das Haus aber nicht überlassen. Laut Ungehorsam hätten sie angeboten, sich das Nutzungskonzept der »Leerstandsbewohner*innen« anzuschauen, wenn keine Personen mehr im Haus wären. Das erschien den Besetzer*innen unattraktiv. Aber: »Jetzt nach der Räumung bekommen sie das Konzept noch mal von uns«, sagt Ungehorsam. Die Gruppe informiere sich momentan darüber, wie mit dem Mietshäuser Syndikat Häuser gekauft und vom Markt genommen werden können. Aber sie würden realistisch bleiben, denn die Eigentümer*innen hätten nach ihren Informationen bereits mehrere Kaufangebote abgelehnt. Seit 15 Jahren stehe das Haus schon leer.

Der Dresdener Stadtteil Neustadt und das darin liegende Hechtviertel gelten als alternativ. An den Wänden befinden sich Graffiti gegen Nazis, an den Straßen viele Restaurants. Doch die Mieten steigen und verdrängen damit Anwohner*innen, wie auch Lann Schmidt, von der Gruppe »Wir besetzen Dresden« gegenüber »nd« erklärt. Gentrifizierung sei das Problem, mit dem die Menschen hier zu kämpfen hätten. Und der Grund, weshalb sich auch Nachbar*innen mit der Besetzung solidarisch zeigten, die nicht zur linken Szene gehören. Schmidt glaube nicht, dass aus der parlamentarischen Politik Druck auf Eigentümer*innen ausgeübt werde, damit diese ihre Häuser nicht leerstehend verfallen lassen, oder die Mieten nach oben treiben. »Dafür ist in den vergangenen Jahren viel zu wenig passiert.« Auch zur Besetzung der »Schanzi« veröffentlichten die Stadtratsfraktionen in Dresden keine Pressemeldungen. Der Druck müsse von unten kommen, meint Schmidt, von den Nachbar*innen. Und die müssten sich als Einheit mit gemeinsamen Problemen verstehen.

Als die Polizei vergangene Woche kam, um das Haus zu sichern, konnte sie keine Personen im Haus feststellen. Die »Leerstandsbewohner*innen« geben an, es vorher verlassen zu haben. »Unser Vorteil ist, dass sie niemanden von uns kennen und wir einfach weiter besetzen können«, wie Ungehorsam erklärt. Die Polizei berichtet in einer Pressemitteilung: »In Gänze zeigte sich die Situation vor Ort sehr ruhig und friedlich.« Zunächst hatten sich laut Beamten rund 200 Menschen vor dem Haus aufgehalten, einige waren hineingegangen und hatten Plakate aufgehängt. An der Hecke vor dem Haus hatten die Hausbesetzer*innen ein rot-weißes Absperrband mit der Aufschrift »Gentrifizierungs-Sperrzone« angebracht. Auch der Hauseingang war mit Steinen versperrt.

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