Zum zweiten Jahrhundertziel

Mit dem neuen Fünfjahresplan will sich China modernisieren

  • Fabian Kretschmer, Peking
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist ein Ritual, das in China jedoch auch im 21. Jahrhundert beibehalten wird: Alle fünf Jahre arbeitet die Staatsführung einen Plan aus, um die Stoßrichtung für die eigene Zukunft vorzugeben. Diese Woche war dies nun zum 14. Mal der Fall. Bisher hat die Kommunistische Partei der Weltöffentlichkeit zwar nur ein Kommuniqué mit den zentralen Punkten vorgestellt. Dessen Botschaft strotzt jedoch angesichts der derzeitigen Weltlage vor Selbstbewusstsein und Optimismus: Zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk folge man dem Masterplan der Partei, mit Staatschef Xi Jinping an der Spitze werde das Land jede Krise meistern.

Am Freitagmorgen traten führende Mitglieder des Zentralkomitees vor die Presse, um die Pläne näher zu erläutern. In China sind solche Momente der Offenheit selten, doch schlussendlich blieb die Pressekonferenz nach europäischem Verständnis eine reine Inszenierung: Sämtliche Fragen, auch die der ausländischen Journalisten, mussten zuvor schriftlich eingereicht werden, die Antworten der Parteikader wurden vom Blatt abgelesen. Über die Kopfhörer konnten die Anwesenden das Papierrascheln der Simultanübersetzerin beim Umblättern der Seiten hören.

Abhängigkeiten verringern

»Mit 2020 haben wir das erste Jahrhundertziel erreicht, eine moderat wohlhabende Gesellschaft aufzubauen«, sagte Xu Lin, Vizeminister der Öffentlichkeitsabteilung vom Zentralkomitee: »Der Fünfjahresplan ist nun der erste Schritt für das zweite Jahrhundertziel: China in eine moderne Gesellschaft zu transformieren.«

Wie umfassend dieser Wandel ausschauen wird, lässt sich schwarz auf weiß ablesen: Wenig überraschend stellt die Partei technologische Autarkie in den Mittelpunkt ihrer Zukunftsvision. Dies ist allen voran eine Antwort auf den Handelsstreit mit den Amerikanern, auch wenn eine vollständige Entkopplung von den Vereinigten Staaten nach Angaben der chinesischen Regierung weiterhin unrealistisch sei.

Doch die Volksrepublik möchte in Zukunft vor allem die wirtschaftlichen Risiken einer geopolitisch fragilen Weltordnung minimieren - etwa Importverbote von Halbleitern aus den USA oder ein möglicher Ausschluss des Telekommunikationstechnologiekonzerns Huawei beim europäischen 5G-Netz. Folglich wird China in den kommenden Jahren seine Forschungsausgaben wohl massiv erhöhen.

Doch konkrete Zahlen blieb die Regierung bislang schuldig. Waren die vorigen Fünfjahrespläne von konkreten Zielvorgaben unterfüttert - etwa das jährliche Wirtschaftswachstum bis auf die prozentuale Kommastelle genau -, bleibt man diesmal vager - wohl auch, weil China mit all seinen territorialen Grenzkonflikten und Wirtschaftskämpfen vor bisher einmaligen Herausforderungen steht.

Zwischen den Zeilen allerdings lassen sich dennoch einige Vorgaben herauslesen: Bis zum Jahr 2035 möchte China ein Bruttoinlandsprodukt vergleichbar mit dem »durchschnittlich entwickelter Länder« erreichen. Im Klartext würde dies bei etwas unter 30 000 Euro pro Kopf liegen, also ein Niveau, das derzeit beispielsweise das benachbarte Südkorea erreicht. Dafür muss sich Chinas ökonomische Leistung in den nächsten 15 Jahren in etwa verdreifachen.

Binnennachfrage steigern

Doch auch im Inneren hat die chinesische Wirtschaft, wenngleich sie trotz der Krise wieder auf deutlichem Wachstumskurs ist, mit erheblichen Problemen zu kämpfen. Dem Ankurbeln des schleppenden Binnenkonsums wird im Fünfjahresplan eine zentrale Rolle zugewiesen: Die Einkommen der Bevölkerung, vor allem auf dem Lande, sollen massiv gesteigert werden. Nur auf diesem Weg kann das propagierte Modell der »dualen Zirkulation« aufgehen: Künftig nämlich soll, wie in vielen entwickelten Volkswirtschaften bereits eingetreten, der chinesische Konsument als Wachstumsmotor fungieren, der Außenhandel (»externe Zirkulation«) hingegen an Wichtigkeit verlieren.

Die Regierung betont jedoch, dass dies nicht heißt, China würde ausländischen Unternehmen künftig den Rücken kehren. Stattdessen soll die Wirtschaft weiter geöffnet und reformiert werden, um reizvoll für internationale Konzerne und Investitionen zu bleiben. »Öffnung ist die grundlegende Bedingung für Fortschritt«, sagt Han Waixiu, stellvertretender Leiter des Zentralkomitees für wirtschaftliche Angelegenheiten.

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