Studie »Jugend in Deutschland«: Der Blick geht nach vorne

Die unter 30-Jährigen in Deutschland sind zuversichtlicher – obwohl sie unter massivem psychischem Druck stehen

Für die kommenden zwei Jahre erwarten die unter 30-Jährigen eine spürbare Verbesserung ihrer Zufriedenheit
Für die kommenden zwei Jahre erwarten die unter 30-Jährigen eine spürbare Verbesserung ihrer Zufriedenheit

Junge Menschen in Deutschland sind wieder etwas zufriedener und blicken leicht optimistischer in die Zukunft als noch im Vorjahr. Zu diesem Ergebnis kommt die Online-Befragung »Trendstudie Jugend in Deutschland 2025«, an der rund 2000 Personen im Alter von 14 bis 29 Jahren teilnahmen, genau wie ähnlich große Stichproben der Altersspannen 30 bis 49 Jahre und 50 bis 69 Jahre. Studienleiter Simon Schnetzer erkennt darin ein »Zeichen der Entspannung« und betrachtet den Abwärtstrend der vergangenen Jahre als gestoppt – trotz einer nach wie vor hohen psychischen Belastung der jungen Generation.

Für die kommenden zwei Jahre erwarten die unter 30-Jährigen eine spürbare Verbesserung ihrer Zufriedenheit. Sie blicken optimistischer in die Zukunft als die älteren Altersgruppen. Auch die Gegenwart bewerten sie überwiegend positiv. Ihre finanzielle Lage schätzen sie jedoch als mittelmäßig ein. Besonders deutlich verbesserten sich im Vergleich zum Vorjahr die Bereiche körperliche und mentale Gesundheit.

Dennoch berichten die 14- bis 29-Jährigen von deutlich höherer psychischer Belastung als die über 30-Jährigen. Frauen sind dabei häufiger betroffen als Männer. Jede*r Zweite klagt über Stress, jede*r Dritte über Erschöpfung und Selbstzweifel. »Der Unterschied beim Stress zwischen den Altersgruppen ist enorm«, sagt Schnetzer. Für jede*n Dritte*n unter 30 hat die eigene Smartphone- oder Social-Media-Nutzung suchthafte Züge. Jede*r Vierte unter 30 gibt an, wegen psychischer Belastungen eine Behandlung zu benötigen. In der mittleren Altersgruppe ist es jede*r Fünfte, in der ältesten jede*r Sechste.

Trotz der leicht gestiegenen persönlichen Zufriedenheit bleibt die Einschätzung der gesellschaftlichen Lage in Deutschland düster. Wirtschaftliche Entwicklung, gesellschaftlicher Zusammenhalt und politische Verhältnisse bewerten alle Altersgruppen im Schnitt negativ. Die 14- bis 29-Jährigen sehen die Lage jedoch etwas weniger kritisch.

Die größten Sorgen der jungen Generation sind der Krieg in Europa und Nahost, die Inflation, die gesellschaftliche Spaltung, teurer Wohnraum und der Klimawandel. Während die Kriege die jüngeren Menschen etwas weniger beunruhigen als die älteren, rücken bei ihnen Wohnraum und Klimawandel stärker in den Fokus.

Die Befragung fand im Januar und Februar statt und endete kurz nach der Bundestagswahl. Wie auch beim tatsächlichen Wahlergebnis waren AfD und Linke die in der Umfrage beliebtesten Parteien unter Erstwähler*innen. Gleichzeitig nehmen junge Menschen den Rechtsruck in Deutschland stärker wahr als Ältere und stimmen flüchtlingsfeindlichen Aussagen seltener zu.

Deutliche Unterschiede zwischen den Altersgruppen zeigen sich auch bei den Fragen nach der Erhöhung der Militärausgaben und Waffenlieferungen – beides lehnt die jüngere Generation entschiedener ab. Und während 51 Prozent der Älteren die Wiedereinführung der Wehrpflicht befürworten, unterstützen nur 18 Prozent der Jüngeren diese Idee. Etwas mehr Zustimmung findet bei ihnen ein soziales Pflichtjahr.

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Beim Thema Arbeit sind die Unterschiede geringer, als das Klischee der »faulen Jugend« vermuten lässt. 81 Prozent der jungen Erwerbstätigen arbeiten in Vollzeit – mehr als in den Altersgruppen 30 bis 49 (76 Prozent) und 50 bis 69 (69 Prozent). Ebenso viele geben an, bei der Arbeit ihr Bestes zu geben. Doch auch hier zeigt sich der Stress: Jede*r Dritte unter 30 fühlte sich im Monat zuvor vom Arbeitsstress ausgebrannt.

Bildungsforscherin Nina Kolleck von der Universität Potsdam fordert deshalb mehr Therapieplätze und eine »systematische Stärkung der Resilienz junger Menschen«. Maja Zaubitzer, stellvertretende Generalsekretärin der Bundesschülerkonferenz, ergänzt: »Wir brauchen dringend mehr schulische Sozialarbeit und Schulpsychologie.« Sie betont, dass mentale Gesundheit ein strukturelles Thema sei. Stressreduktion müsse Teil des Schulalltags werden und Leistungsbewertungen sollten so spät und individuell wie möglich erfolgen.

Die Trendstudie erscheint zum achten Mal. Sie basiert auf einem »Online-Access-Panel«, bei dem sich Teilnehmende online selbst registrieren – und nicht durch eine Zufallsstichprobe innerhalb der gesamten Gesellschaft ausgewählt werden. Koautor Klaus Hurrelman von der Hertie School räumt ein, dass die Stichprobe »nicht im statistischen Sinne voll repräsentativ« sei, sieht in ihr aber einen »Spiegel gesellschaftlicher Verhältnisse«. Hinsichtlich der Faktoren Geschlecht, Alter, Bildung und Religion entsprechen die Befragten der gesellschaftlichen Verteilung. Um die Ergebnisse der Online-Befragung abgleichen zu können, haben die Autoren die Erhebung zusätzlich an zehn Schulen durchgeführt.

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