Auch Biden kein Freund der Pipeline

Hoffnung vieler Sassnitzer auf Weiterbau von Nord Stream 2

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Hässlich, halbnackt und mit wutverzerrtem Gesicht blickt der noch amtierende US-Präsident Donald Trump als Karikatur von einem Plakat der Linken auf Mecklenburg-Vorpommerns Insel Rügen, offenbar erzürnt über das darauf zu lesende Bekenntnis: »Wir stehen zu Nord Stream 2«. Auch das Versprechen, sich nicht einschüchtern zu lassen, haben die Plakatmacher dem zeternden Mann zugesellt. Er und Senatoren aus den Reihen seiner Republikaner hatten versucht, Menschen, Firmen und Institutionen in Sassnitz, einem rund 11 000 Einwohner zählenden Hafen-Ort auf Rügen, mit Drohungen von einer Mitarbeit an der aus Russland bis nach Deutschland führenden Erdgasleitung abzuhalten.

Verständlich, dass viele Sassnitzer die Wahl in den USA gespannt verfolgten, hoffend, ein Wechsel könne die ursprünglich für Ende 2019 angesetzte Vollendung der Pipeline in greifbare Nähe rücken lassen. Die Hoffnung auf einen anderen Präsidenten ist erfüllt worden. Ob der jedoch mit einem Federstrich den seit geraumer Zeit herrschenden Stillstand am Projekt Nord Stream 2 in rege Bautätigkeit verwandelt, darf bezweifelt werden.

Joe Biden wird vermutlich in Sachen Gasleitung diplomatischer agieren als sein noch amtierender Vorgänger und dessen republikanische Senatoren. Sie hatten dem Management des Hafens Sassnitz-Mukran und dem Bürgermeister schriftlich »schmerzhafte rechtliche und wirtschaftliche Sanktionen« seitens der USA angedroht, sofern der Pipeline-Bau fortgesetzt werde. Ein Erpressungsversuch sei das, hieß es in Mecklenburg-Vorpommern. Nicht nur von dort wurde das Drohen aus dem Trump-Lager scharf zurückgewiesen.

Wohl kaum wird ein Präsident Biden in ähnlicher Weise die Sanktionskeule schwingen, aber: Es ist durchaus damit zu rechnen, dass er in puncto Nord Stream 2 auf dem Kurs des noch amtierenden Republikaners bleibt, getreu dessen Motto »America first«. Denn auch Biden wird bemüht sein, in Europa für den Kauf US-amerikanischen Erdgases zu werben, so wie er es bereits bei einem Besuch in Schweden getan hatte. Damals, als er noch Vizepräsident von Barack Obama war und schon zu jener Zeit an der Rohrleitung aus Russland Kritik geübt hatte.

Das müssen sich die Sassnitzer ebenso bewusst machen wie die Tatsache, dass der nun gewählte Demokrat sich nicht einfach über parlamentarische Entscheidungen hinweg setzen kann. Mit Blick auf Nord Stream 2 seien sich Republikaner und Demokraten im Kongress einig, gab der Koordinator für die transatlantische Zusammenarbeit der Bundesregierung, Peter Beyer (CDU), unlängst zu bedenken.

Es sind Bedenken, die auch viele Beobachter außerhalb der Insel Rügen teilen, in Leserkommentaren etwa, wo es beispielsweise heißt: Nord Stream 2 solle seitens der USA weiter verhindert werden. Nun aber nicht mehr von einem zornigen Donald Trump, sondern »mit dem Gesicht eines gutmütigen Opas«.

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